Stanley Bruce Anstey PSALM 1-8
INHALTSVERZEICHNIS
Die ersten acht Psalmen bilden eine Einleitung in die gesamten Psalmen.1 Sie führen die Hauptelemente der israelischen (und vor allem der jüdischen) Geschichte in den letzten Tagen ein; von der ersten Absonderung des Überrestes von der jüdischen Masse, die sich wieder im Land versammelt hat, bis hin zu der kommenden Herrschaft Christi als Sohn des Menschen. PSALM 1
Kurz nachdem die Juden (die zwei Stämme: Juda und Benjamin) in das Land Israel zurückgekehrt sind, wird sich aus der abtrünnigen Masse ein gottesfürchtiger Überrest herauskristallisieren, der Glaube an den HERRN hat. Dieser wird Gott fürchten und zittern vor seinem Wort (Jes 66,2). Diese Juden werden von der Masse (der großen Versammlung) moralisch abgesondert sein, obwohl sie äußerlich mitten unter ihnen leben. Sie werden ihre Wonne am Gesetz Gottes haben (Ps 1,1–3). Ihre abtrünnigen Brüder („die Gottlosen“ in der Elberfelder Übersetzung) gleichen ihnen nicht. Sie nehmen keine Rücksicht auf die Belange Gottes. Ihre Gründe zur Rückkehr ins Land waren lediglich kommerzieller, politischer und kultureller Natur. Sie vollbringen die Handlungen der Anbetung, doch ihre Herzen sind weit von Gott entfernt (Jes 66,3.4). Der Überrest erkennt daher, dass die Gottlosen durch reinigendes Gericht aus dem Land beseitigt werden müssen bevor das Reich aufgerichtet2 werden kann (Ps 1,4–6). PSALM 1
Es ist schon gesagt worden, dass die beiden ersten Psalmen den Grund zu der ganzen Sammlung dieser geweihten Gesänge legen, indem sie den Charakter und die Stellung des Überrestes und die Ratschlüsse Gottes in bezug auf Christum, den König in Zion, zeigen; Gesetz und Christus, das sind die zwei großen Grundlagen der Wege Gottes mit Israel.
Psalm 1 ist die Beschreibung des treuen Überrestes und der Segnung, die nach Gottes Regierung dessen Treue begleitet. Diese Segnung ist niemals in Erfüllung gegangen, außer in dem Genuss des Trostes und Friedens seitens eines aufrichtigen Herzens; aber sie wird hier in derselben Weise eingeführt wie das Teil der Sanftmütigen in Matthäus 5, wo Christus das Reich vorstellt: „Sie werden das Land erben.“ Allein das Reich war und ist auch jetzt noch nicht in Macht errichtet worden (das ist der Gegenstand vom Psalm 2), sondern die Gläubigen werden betrachtet, als ob sie sich in den letzten Tagen befänden, wenn das Gericht nahe ist. Daher spricht der Herr in Matthäus 5 von dem Leiden um der Gerechtigkeit willen; das Reich der Himmel ist das Teil der also Leidenden. Wenn sie leiden um Seines Namens willen, so spricht Er von dem Himmel selbst, wo ihr Lohn groß sein wird. In 1. Petrus 3, 14 und 1. Petrus 4, 14 wird dieselbe Unterscheidung gemacht.
In Psalm 1 haben wir einfach den treuen Überrest auf der Erde. Ich sage Überrest, weil der Gegenstand des Psalmes durch persönliche Treue gekennzeichnet wird. Die Gesetzlosen, die Sünder und Spötter umgeben den Gerechten, dessen Wonne das Gesetz Jehovas ist. Als ein frommer Jude hält er sich fern von den Gesetzlosen, und er wird gesegnet und gedeiht. Das ist der Grundsatz des Psalmes. Soll dieser jedoch zur Geltung gebracht werden, so muss das irdische Gericht eintreten. Darin werden die Gesetzlosen nicht bestehen, noch die Sünder in der Gemeinde der Gerechten, die dann befreit sein werden von der Bedrückung derer, die sich um Gott nicht kümmerten. Der Psalm zeigt uns den allgemeinen Charakter des Gerechten und das Ergebnis der richterlichen Regierung Gottes.
Dann wird noch ein anderes Element eingeführt: Jehova kennt den Weg der Gerechten; aber der Gesetzlosen Weg wird vergehen. Es gibt also einerseits Gericht und andererseits, vor der Ankunft dieses Gerichts, eine moralische Anerkennung, die mit dem Bundes-Verhältnis Jehovas zu Israel in Verbindung steht. Wir haben bereits gesehen, dass Christus auf der Erde dieser Gerechte war, und dass Er Seinen Platz unter dem treuen Überrest, diesen „Herrlichen auf der Erde“, einnahm (Ps 16), wie auch, dass Er vollkommen war an diesem Platze. Insofern ist dieser Psalm auf Christum anwendbar; aber unmittelbar spricht er nicht von Ihm. Sein Gegenstand ist der Charakter des Gerechten und das Ergebnis der Regierung Jehovas, Gottes, in der Mitte Seines Volkes. Es handelt sich hier noch nicht um Leiden, die daraus hervorgehen; dies wird zu seiner Zeit kommen. Es handelt sich vielmehr, wie bereits gesagt, um den Charakter des Gerechten in Gegenwart des Gesetzlosen, und um das Ergebnis nach Maßgabe der unwandelbaren Grundsätze der Regierung Gottes. Jehova kennt den Gerechten; die anderen werden unbedingt umkommen.
Psalm 1 zeigt uns also den Charakter des Überrestes, seine Stellung inmitten der Gesetzlosen, die allgemeine Regierung Gottes und die Verbindung zwischen Jehova und dem Gerechten. Daneben sehen wir den Gerechten und den Gesetzlosen in die Gegenwart eines nahen Gerichts gestellt, durch das die Gesetzlosen wie Spreu fortgetrieben werden sollen, während die Gerechten die Gemeinde bilden; das will sagen: der Psalm bezieht sich in bestimmtester Weise auf den Überrest in den letzten Tagen. Die aufgestellten Grundsätze, der Charakter der Personen, von denen der Psalm redet, und ihre Stellung sind klar verständlich; sie sind zugleich wichtig, weil sie einen wesentlichen Teil der Grundlage des ganzen Gebäudes der Psalmen ausmachen – nämlich die Regierung Gottes und die Prüfungen des Überrestes, die diese Regierung zu leugnen scheinen, die erst ausgeübt werden wird im Gericht, nachdem das Geheimnis Gottes vollendet ist. Wir befinden uns hier auf dem Boden der Stellung Israels und der Regierung Gottes nach dem Gesetz; indes wird der Gerechte von dem Gottlosen unterschieden, und die Segnung ist nicht das Teil des ganzen Volkes Israel, sondern der Gerechten, die die Gemeinde bilden werden, wenn das Gericht ausgeführt ist. Segen ruht auf den Gerechten, und diese Gerechten sind es, die das Volk ausmachen, wenn die Gesetzlosen wie Spreu fortgetrieben sind. Es ist genau die Lehre des Schlusses von Jesaja (siehe Jes 48, 22; 57, 20; Jes 65 und Jes 66), nur dass in dem letztgenannten Kapitel das Gericht auch die Nationen trifft.
Die uns zunächst vorgestellten Wahrheiten sind also: ein treuer Überrest des Volkes ist da, der am Gesetz seine Wonne hat, und das Gericht Gottes wird ausgeübt, dessen Ergebnis die Gemeinde der Gerechten ist gemäß dem wahren Charakter Jehovas, indem die Gesetzlosen vertrieben sind. Es ist die moralische Regierung Gottes auf der Erde, ausgeübt durch das Gericht in Israel 1. Deshalb treten hier die letzten Tage so deutlich vor unsere Blicke.
Fußnoten
- 1Oder genauer genommen unter den „Juden“. Der Überrest der Juden wird verschont bleiben; er geht durch die Trübsale, nachdem zwei Drittel in dem Lande umgekommen sind (Sach 13). Das Gericht der zehn Stämme findet außerhalb des Landes statt, und die Empörer werden nicht in das Land Israel kommen (Hes 20,38). „Israel“ ist der allgemeine Ausdruck in den Verheißungen, die der Nation gegeben sind.
I. Buch I
( Ps 1-41 )
Ps 1
Ps 1 bildet eine passende Einführung in den Psalter, da er die beiden Wege zusammenfaßt, die dem Menschen offenstehen: der Weg des Gerechten und der Weg des Gottlosen. Der Psalm könnte aufgrund der Beschreibung der beiden Lebenswege, der Vergleiche, der Verkündigung des Segens und der zentralen Stellung des Gesetzes für die Erfüllung des Leben als Weisheitspsalm eingeordnet werden. Die Elemente dieses Psalms tauchen in der Sammlung immer wieder auf.
Der Psalm beschreibt den Gesegneten, der ein makelloses und glückliches Leben in Übereinstimmung mit dem Wort des Herrn führt, und stellt ihn dem Gottlosen gegenüber, der vergehen wird.
A. Der Gesegnete
( 1,1-3 )
Ps 1,1
Mit drei mal drei Ausdrücken beschreibt der Psalmist das Leben des Gesegneten: Er wandelt, steht oder sitzt nicht im Rat , auf dem Weg oder dem Platz des Gottlosen , des Sünders oder Spötters . Mit jeder parallelen Einheit erhält der Ausdruck mehr Gewicht. Das zeigt das Fortschreiten von einem ursächlichen Einfluß gottloser Leute hin zum Einverständnis mit ihnen in ihrem Spott gegen den Gerechten. Wer von diesem teuflischen Einfluß nicht gekennzeichnet ist, ist "gesegnet", d. h. er ist mit Gott in Ordnung und genießt den geistlichen Frieden und die Freude, die aus dieser Beziehung erwachsen.
Ps 1,2
Der Fromme wird nicht von den ungerechten Menschen beeinflußt, sondern von dem Nachdenken über das Wort Gottes. Solches Nachsinnen bedingt notwendigerweise das genaue Studium und das Bewahren des Gelesenen. Das ist nur möglich, wenn man den Wunsch hat, so zu handeln; was hier als Lust bezeichnet wird. Die Psalmisten erhielten Weisung aus dem Gesetz Gottes und empfanden es nicht als Schinderei.
Ps 1,3
All diejenigen, denen es eine Lust ist, nach dem Wort Gottes zu leben, gedeihen. Mit dem Bild eines fruchtbaren Baumes erläutert der Psalmist, daß das, was auch immer der Gerechte tut, Gelingen haben wird (vgl. Ps 92,13-15 ). Auf zwei Voraussetzungen sollte hier hingewiesen werden. Erstens wird die Frucht, das heißt das Wohlergehen, zu seiner Zeit hervorgebracht und nicht notwendigerweise unmittelbar nach der Pflanzung. Zweitens: Was der Fromme tut, wird vom Gesetz Gottes überwacht ( Ps 1,2 ). Wenn also ein Mensch über Gottes Wort nachsinnt, wird sein Tun fromm sein und sein von Gott überwachtes Handeln wird gelingen, d. h. zu der göttlich gelenkten Erfüllung gelangen.
B. Der Gottlose
( 1,4 )
Ps 1,4
In deutlichem Gegensatz zu dem Gesegneten (V. 1 ) steht der Gottlose. Das hebräische Wort rASAZ wird häufig mit gottlos übersetzt (vgl. V. 1.5-6 ), kann aber auch das Böse schlechthin bezeichnen. Menschen, die durch rASAZ gekennzeichnet werden, befinden sich in keiner Bundesbeziehung mit Gott; sie leben nach ihren Leidenschaften. Sie sind nicht fromm. Sie können zwar Gutes tun und Barmherzigkeit üben, aber das Urteil Gottes über sie lautet, daß sie ohne ewige Gnade sind.
Der Psalmist verglich sie mit Spreu, den wertlosen Hülsen des Getreides, die beim Worfeln vom Wind fortgetragen werden. Ein solcher Gegensatz besteht also zu dem fruchtbaren (vgl. V. 3 ), wertvollen und gerechten Menschen.
C. Das Gericht
( 1,5-6 )
Ps 1,5
Aufgrund des Gegensatzes zwischen dem Frommen und dem Gottlosen schrieb der Psalmist, daß Gott den Gerechten von dem Gottlosen im Gericht aussondern wird. Die Gerechten sind diejenigen, die durch einen Bund mit dem Herrn in Beziehung stehen, die gemäß seines Wortes leben und die Dinge von ewigem Wert hervorbringen. Gott wird die Gerechten von den Sündern trennen, wie ein Mann den Weizen von der Spreu trennt.
Ps 1,6
Die Grundlage für dieses Gericht ist die Erkenntnis des Herrn. Die erste Hälfte des Verses der HERR kennt den Weg der Gerechten wird durch die gegensätzliche Parallele der Weg der Gottlosen vergeht verständlich. Errettung am Tag des Gerichtes wird damit gleichgesetzt, daß der Herr den Menschen kennt (vgl. Mt 7,23 ). In Ps 1,6 wird "der Weg der Gerechten" dem "Weg der Gottlosen" gegenübergestellt. "Der Weg" steht für die ganze Lebensweise eines Menschen, einschließlich dessen, wodurch sie bestimmt wird und was sie hervorbringt. Das wertlose Leben des Gottlosen wird keinen Bestand haben.
Psalmen Walvoord
Die Psalmen (Allen P. Ross)