https://www.bibelkommentare.de/kommentare/k-6849/prophetische-uebersicht-ueber-die-psalmen/psalm-9-15
Dieser Psalm umreißt die Hoffnung der Juden des gottesfürchtigen Überrestes in der Zeit ihrer größten Prüfung, der Drangsal. Er zeigt das Warten des Überrestes auf das Kommen des Messias zum Gericht über die Gottlosen, zur Befreiung seines Volkes und zur Aufrichtung seiner Herrschaft in Gerechtigkeit über die Welt.
Während der Überrest Verfolgung durch seine ungläubigen Brüder erleidet (Ps 9,14), wartet er auf die Befreiung, über welche er den Herrn preisen wird (Ps 9,2.3). Diesen erwartend, sieht er das Gericht, das seine Feinde ereilen wird, voraus (Ps 9,4–7). Darüber hinaus sieht er bereits, wie der Thron des Herrn zum Gericht aufgestellt werden wird, von dem aus Er über den Erdkreis in Gerechtigkeit regieren wird (Ps 9,8–11). Daher freut er sich schon auf das Lob, das jenen Tag erfüllen wird, an dem der Herr in Zion wohnen und der Überrest mit Ihm dort verbunden sein wird (Ps 9,12–15). Zuletzt sieht er das Ende der gottlosen Juden und der Nationen, die Gott vergessen haben, im Gericht (Ps 9,16–19).
---*
John Nelson Darby(BIOGRAPHIE) PSALM 9-10
Psalm 9 und Psalm 10 führen uns geschichtlich in die Umstände ein, in denen sich der Überrest in den letzten Tagen im Lande befinden wird. Nachdem in den vorhergehenden Psalmen die wichtigsten Grundzüge dargelegt sind: der Überrest, der Messias, die Trübsal in Israel infolge der Verwerfung des Messias, der Pfad, den Er persönlich kennen gelernt hat, und endlich die Herrlichkeit in dem Sohne des Menschen – finden wir in Ps 9 und Psalm 10 eine Art Vorwort betreffs jener Umstände, eine Darlegung derselben, um uns den Schauplatz vor Augen zu stellen, auf dem die Herzensübungen der Heiligen, stattfinden, sowie die Sachlage, die diese hervorruft, und die Errettung, die durch das Gericht Gottes bewirkt wird.
In den ersten acht Psalmen ist uns der Gerechte, der Messias, nach den Ratschlüssen Gottes, jedoch verworfen, vor Augen gestellt worden, sowie die durch Seine Verwerfung hervorgerufenen Trübsale des Überrestes, in die Er eintritt. Zugleich haben wir gesehen, dass Er infolge Seiner Verwerfung als Sohn des Menschen verherrlicht und über alle Werke der Hände Gottes gesetzt worden ist. Hier jedoch sehen wir uns (wenn wir in die geschichtlichen Einzelheiten der Umstände eintreten) sogleich in die letzten Tage versetzt; der treue Überrest befindet sich unter dem Druck der Gesetzlosen und der Heiden. Der Messias erkennt, im Geiste, in dem unterdrückten Überrest die Gerechtigkeit Jehovas im Gericht an: auf dem Throne sitzend, richtet Gott recht.
Beachten wir im Vorbeigehen auch den großen Unterschied zwischen dem rühmenden Verkünden der Gerechtigkeit Gottes, der, auf dem Throne sitzend, recht richtet und den Gerechten vor dem Unterdrücker schützt, und jener anderen Szene, wo wir Christum auf dem Kreuze erblicken, nicht hienieden beschützt, sondern von Gott verlassen, indem Seine Feinde äußerlich mit Ihm tun konnten, was sie wollten, und der darauf folgenden Aufrichtung der Gerechtigkeit in einer himmlischen Weise, der Gerechtigkeit Gottes Selbst, die sich darin offenbarte, dass Er Ihn zu Seiner Rechten setzte in den himmlischen Örtern. In Verbindung hiermit sagt der Herr in Johannes 16, 10 von dem verheißenen anderen Sachwalter: „Er wird die Welt überführen ... von Gerechtigkeit, weil ich zu meinem Vater gehe, und ihr mich nicht mehr sehet.“ Was diese Gerechtigkeit anlangt, so wurde Christus ganz aus dieser Weit weggenommen, so dass die Jünger, da sie sich noch im Fleische befanden, wie auch die Juden, Ihn nicht mehr sahen. Er hatte Gott verherrlicht und wurde in Gott verherrlicht, gleichwie Gott in Ihm verherrlicht worden war. Die Gerechtigkeit, von der in unseren Psalmen die Rede ist, die den Unterdrücker richtet, findet aber, obschon sie durch Gott ausgeübt wird, der allein in Wahrheit gerecht und mächtig ist, ihren Wirkungskreis und ihren Maßstab in der irdischen Regierung und in der Unterscheidung des Gerechten von dem Gesetzlosen, des Unterdrückten von dem Unterdrücker; sie steht in Verbindung mit der gerechten Regierung Gottes unter den Menschenkindern. Ein klares Verständnis über diesen Unterschied ist der Schlüssel zu dem ganzen Gedankenaufbau in den Psalmen. PSALM 9
Wenden wir uns jetzt zur näheren Betrachtung des 9. Psalmes. Er zeigt uns Jehova, den Höchsten – die Namen Gottes in Verbindung mit den Juden und der Erfüllung der dem Abraham gegebenen Verheißungen im Tausendjährigen Reiche –, wie Er das Volk durch Gericht von der Unterdrückung seitens der Heiden befreit und den Gesetzlosen vertilgt. Der befreite Jude preist diese Güte, die das Recht und die Rechtssache des Gerechten ausgeführt hat. Der Geist Christi ist es, der hier als der Vertreter der Sache des Gerechten spricht. In Wirklichkeit ist es Sein Recht, und wenn der Jude irgendein Recht hat, so ist es nur durch Ihn; wenn die Gläubigen sich auf dieses Recht berufen, so hat Er ihnen die Worte in den Mund gelegt. Wenn Christus nicht in ihre Trübsal eingetreten wäre und ihnen diese Worte gegeben hätte, so könnten sie in der Tat nicht sagen: „mein Recht“.
Der Demütige und Unterdrückte preist also in diesem leitenden Psalm Gott mit seinem ganzen Herzen unter dem doppelten Namen „Jehova“ und „Höchster“ 1. Die Vernichtung seiner Feinde ist nicht bloß ein menschlicher Sieg; sie straucheln und kommen um vor dem Angesicht Jehovas Elohim. Aber Jehova führt dadurch das Recht und die Rechtssache des Gerechten aus – in Wirklichkeit das Recht und die Rechtssache Christi, der Sich in Seinem erbarmenden Mitgefühl mit ihrer Sache einsgemacht hatte.
Die Verse 6 und 7 enthalten einen sehr wichtigen Grundsatz für den Glauben aller Zeiten, der sich aber am Ende der Tage in Wirklichkeit bewähren wird. Die Anstrengungen des Feindes sind hier nur für eine Zeit; er kann, wenn Gott es erlaubt, das gegenwärtige Wohlergehen zerstören; der Herr aber thront ewiglich. Wir haben während unseres Pilgerganges hienieden nur Gottes Willen zu tun. Am Ende wird doch stets alles so werden und gehen, wie Er es will. Dieser Wille Gottes, den wir auf dem Wege tun, vielleicht unter Trübsal und Leiden, wird gewisslich am Ende triumphieren. Hier in unserem Psalm ist die Zeit gekommen, dass die Verwüstungen für immer ein Ende nehmen sollen: die Städte und ihr Gedächtnis sind zerstört, Jehova aber thront ewiglich.
Wir haben von dem Ausharren Hiobs gehört, das war vorübergehend; aber wir haben das Ende des Herrn gesehen, und dieses ist die Grundlage für den Glauben. Der Glaube wandelt mit Ihm, der sicher und gewiss das Ende in Seiner Hand hat. Er thront ewiglich; Er hat Seinen Thron aufgestellt zum Gericht. Er wird den Erdkreis richten in Gerechtigkeit, wird über die Völkerschaften Gericht halten in Geradheit. Das ist der öffentliche Charakter Jehovas; aber es gibt auch eine besondere, private Seite Seines Charakters, wenn man so sagen darf, deren Offenbarung der Hauptgegenstand dieses Psalmes ist, und die in Verbindung mit dem erwähnten öffentlichen Charakter tatsächlich den Hauptgegenstand aller Psalmen bildet. Beide sind nur dem Glauben bekannt, werden aber im voraus gepriesen. Diese zweite Seite des Charakters Jehovas ist in dem 9. Verse ausgedrückt: „Und Jehova wird eine hohe Feste sein dem Unterdrückten, eine hohe Feste in Zeiten der Drangsal.“ Dies bringt zu allen Zeiten Vertrauen auf Jehova bei denen hervor, die Seinen Namen kennen. Das Einschreiten Jehovas in den Tagen des Überrestes zugunsten derer, die Ihn suchen, wird diesen Namen herrlich machen auf der ganzen Erde.
Noch ein anderer Punkt tritt uns hier entgegen: Jehova, der Sich also offenbart, wohnt in Zion. Seine Taten, d. h. das, was Er tut, um durch Gericht zugunsten des Überrestes Seinen Namen bekannt zu machen, sollen unter den Völkern erzählt werden, um diese dadurch zu lehren, auf Ihn zu vertrauen. Jehova ist also am Ende nach Zion zurückgekehrt. In den Versen 13 und 14 finden wir das Flehen des gläubigen Überrestes, der sich auf die Gnade stützt und nun begehrt, in Zion Gottes Lob zu verkündigen und über Seine Rettung infolge der Gerichte zu frohlocken. In Vers 15 endlich werden diese Gerichte gepriesen, deren sittliche Wirkung in Vers 16 hervorgehoben wird: „Jehova ist bekannt geworden: Er hat Gericht ausgeübt.“
Die Art und Weise, in welcher der 9. Psalm als eine Einleitung zum besseren Verständnis des Zweckes des Buches der Psalmen dient, und seine Anwendung auf die letzten Tage sind augenscheinlich. Hat man dies einmal erfasst, so hat man einen wesentlichen Schritt zum Verständnis des ganzen Buches getan. Vers 17 zeigt, dass die Gesetzlosen 2, wer sie auch sein mögen, ob Juden oder Heiden – zunächst aber wohl die Juden und sodann alle Nationen, „die es nicht für gut fanden, Gott in Erkenntnis zu haben“ (Röm 1, 28) – verworfen und gerichtet werden und durch dieses Gericht ihren Platz im Hades finden. Hierbei erinnert Sich Gott der Armen und Elenden, denn die Vernichtung der Gesetzlosen ist ihre Rettung; deshalb ruft auch der Überrest: „Stehe auf, Jehova!“ Dieser Charakterzug erklärt gewisse Ausdrücke in den Psalmen, auf die ich weiter oben schon hingedeutet habe, nämlich das Verlangen nach Gericht. Man vergleiche hiermit die sittlichen Kennzeichen derer, die in Römer 1 und Römer 2 gerichtet werden. Nur ist dort von dem Zorn die Rede, der vom Himmel her offenbart wird, nicht von dem, der durch die Regierung auf der Erde von Zion ausgeht; auch findet man in dem Briefe an die Römer naturgemäß eine größere sittliche Entwicklung, nicht aber das äußere Gericht der Völker 3.
-*-
(Allen P. Ross)
Der Psalm schließt mit demselben Ausdruck des Lobes über Gottes herrlichen Namen, mit dem er auch begann (vgl. V. 2 ). Gottes Herrlichkeit zeigt sich in seiner Sorge und in seinem Plan für den begrenzten Menschen.
Ps 9,4-7
Der Anlaß für das Lob Davids wird in diesen Versen berichtet. Der Herr hat seine Gerechtigkeit aufgerichtet (V. 5 ), indem er Davids Sache gerechtfertigt hat. Seine Feinde wurden zurückgeworfen (V. 4 ), getadelt und vernichtet (V. 6 ). Sogar der Name der Völker (der in gleicher Weise in V. 16.18.20-21 erwähnt wird) wurde ausgelöscht. Eine derartige Beschreibung vermittelte lebhaft das Bild der Niederlage der Feinde - noch nicht einmal ihr Name hatte weiterhin Bestand. Ihr Andenken wurde ausgelöscht, nachdem ihre Städte zerstört wurden (V. 7 ).
All das, was David hier beschreibt, war ein Zeichen dafür, daß Gott seine Sache unterstützte und gerecht von seinem Thron her regierte (V. 5 ).
Ps 9,8-11
Aufgrund der in Vers 4-7 ausgesprochenen Errettung erklärt David, daß der Herr ein wahrhaftiger und ewiger Richter und eine Festung für den Elenden ist. Der Lobpreis des Psalmisten war an den Herrn und seine ewige Herrschaft über die Erde gerichtet (V. 8-9 ). Dann wandte David diese Wahrheit auf die Bedürfnisse des Volkes an. Für die Elenden und die Unterdrückten, also für diejenigen, die am häufigsten nicht beachtet werden oder durch menschliche Gerichte Mißhandlung erfahren, tritt der gerechte Richter ein. Der Herr Gott ist ihre Zuflucht und ihr Bollwerk in Zeiten der Not. Der Begriff miRgoB , der zweimal in Vers 10 vorkommt und beide Male mit "Zuflucht" und "Bollwerk" übersetzt wird, deutet Sicherheit und Schutz an einem erhabenen, sicheren Rückzugsort an. M iRgoB , eines der vielen Worte, die in den Psalmen gebraucht werden, wenn von Sicherheit in Gott gesprochen wird, wird in Ps 18,3;144,2 mit "Bollwerk" und in Ps 46,8.12; 48,4; 59,10.17-18; 62,3.7; 94,22 mit "Festung" übersetzt. Ein anderes hebr. Wort, das in den Psalmen mit "Zuflucht" übersetzt wird, ist maHseh , "Schutz vor Gefahr". Dieses Wort wird in Ps 14,6; 46,2; 61,4; 62,8-9; 71,7; 73,28; 91,2.9 benutzt. Ein weiteres, in den Psalmen mit "Zuflucht" übersetztes Wort, ist mAnNs ("ein Ort, an den man fliehen kann"; Ps 59,17; 142,6 ). Wer zum Herrn gehört, darf auf die Sicherheit und den Schutz bei Gott vertrauen.
Ps 9,12-13
Der Abschnitt des Lobpreises (V. 1-13 ) schließt mit der Ermahnung des Psalmisten an das Volk, besonders an die Elenden, die Gott nicht vergißt (V. 13 ), daß sie dem Herrn Loblieder singen (vgl. V. 3 ) und erzählen sollen, was er getan hat (V. 12 ).
B. Gebet: Hilfe für die Elenden
( 9,14-21 )
Ps 9,14-15
Im Hinblick auf Gottes frühere mehrfache Errettung rief David nun Gott an, daß er auf sein Elend antworten und ihm Anlaß geben möge, ihn zu preisen. Der Psalmist bat den Herrn, aufzumerken, wie seine Feinde ihn verfolgten. In Todesgefahr schrie er zu Gott, daß er ihn aus den Toren des Todes erretten möge (vgl. Hi 38,17; Ps 107,18; Jes 38,10 ). Von Gott gerettet, würde er den Herrn in den Toren der Tochter Zion preisen (d. h. in der Stiftshütte in Jerusalem).
Ps 9,16-17
Davids Gebet wurde durch sein volles Vertrauen auf den Herrn unterstützt. In Vers 16-19 zählt David auf, auf welche Weise Gott die Gottlosen vernichtete, die den Bedürftigen gequält haben. Vers 16 könnte in Vorwegnahme der Vernichtung der Feinde geschrieben worden sein, so wie es in den Abschnitten des "Vertrauens" verschiedener Psalmen geschieht. In diesem Fall sah David voraus, wie der Gottlose in seine eigene Grube fallen (vgl. Ps 7,16 ) und sich in seinem eigenen Netz verstricken (vgl. Ps 35,8;57,7 ) würde. Dennoch ist die Gerechtigkeit des Herrn wohl bekannt, denn das Böse, das die Gottlosen ersinnen, kehrt zu ihnen zurück.
Ps 9,18-19
Die Bestimmung der Gottlosen, die in das Grab ( S+?Nl , Scheol) zurückkehren, wird den Bedürftigen und den Elenden gegenübergestellt (vgl. V. 10.13 ), die ihre Hoffnung erfüllt sehen werden. Der Ausdruck Gott vergessen wird in den Psalmen bisweilen dem Wort "erinnern" gegenübergestellt, einem Ausdruck, der Glauben und Gebet bezeichnet. Für diejenigen, die den Herrn zurückweisen und ihm keine Beachtung schenken, gibt es keine Hoffnung.
Ps 9,20-21
Der Psalm schließt mit der Bitte, daß der Herr aufstehen und über die sterblichen Menschen ( ?MnNS ; vgl. den Kommentar zu Ps 8,5 ) in einem fürchterlichen Gericht Schrecken bringen solle. Solch eine Vernichtung würde den Gottlosen klar machen, daß sie nur Menschen ( ?MnNS ) sind und nicht jene unterdrücken können, die auf den Herrn vertrauen.