In Psalm 32 kommen wir zu dem, was dem treuen Israeliten noch mehr Not tat als eine äußerliche Befreiung, nämlich die Vergebung der Sünden. Die Größe der Drangsal bringt ihn dahin, sich zu dem Gesetz Gottes zu wenden, führt ihn aber auch zu dem Bewusstsein, dass er es gebrochen hat. Auf Gerechtigkeit in diesem Sinne konnte er sich nicht berufen: er bedurfte der Vergebung, und dass Jehova ihm die Ungerechtigkeit, die auf ihm lag und die er jetzt anerkannte, nicht zurechne. Lang hatte er sich dagegen gesträubt, aber Jehova hatte ihm keine Ruhe gelassen. Er bekennt nunmehr die Sünde, und der Trug ist aus seinem Herzen gewichen. Bis dahin war es unmöglich; er verbarg die Missetat in seinem Herzen. Die Vergebung aus Gnade zieht den Gottesfürchtigen zu Gott. Bei der Flut großer Wasser wird er nicht von ihnen erreicht werden. Jehova ist der Bergungsort für seine Seele, Er behütet, segnet und leitet ihn. Nur werden die Gläubigen ermahnt, weise zu sein durch Gehorsam und nicht unverständig, damit Gott sie nicht durch die Macht Seiner Vorsehungswege leiten müsse.
Man beachte hier, dass, während die Vergebung gepriesen wird (und der Überrest wird ihrer dringend bedürfen), dennoch der große, unterscheidende Zug, der den Überrest von der Masse des Volkes trennt, bestimmt aufrechterhalten wird, nämlich Wahrheit, Gerechtigkeit und Lauterkeit des Herzens. Der „Gesetzlose“ hat viele Schmerzen.
Dem Grundsatz nach kann ein Psalm wie dieser auf die ausgedehnteste Weise angewandt werden; Gott sei dafür gepriesen! Seine prophetische Anwendung gilt dem Überrest, um Wahrheit im Innern hervorzurufen und die Gläubigen durch Güte zu jenem Bekenntnis zu ermutigen, bei dem allein Gott segnen kann; das ist stets der Fall, denn „Vergebung“ und „kein Trug“ gehen miteinander. Die Heiligen des Überrestes werden die völlige Annahme von Seiten Gottes erst dann kennen, wenn sie Ihn anschauen, den sie durchstoßen haben, und der als Jehova zu ihrer Befreiung kommen wird. Lasst uns jedoch unseren Herzen den Hauptgrundsatz dieses Psalmes tief einprägen, dass nämlich die völlige, uneingeschränkte Vergebung, die gänzliche Nichtzurechnung der Sünde, den Trug aus dem Herzen wegnimmt. Ohne das fliehen wir Gott, entschuldigen die Sünde und decken sie zu, wenn wir sie nicht zu rechtfertigen wagen. Aber wenn völlige Vergebung vor unseren Blicken steht, so haben wir Mut, wahr im Herzen zu sein. Wer wird nicht alle seine Schulden angeben, wenn ihre Bezahlung durch einen anderen das einzige ist, um das es sich handelt? Wer wird nicht offen über seine Krankheit reden, wenn die Heilung gesichert ist? Die Gnade bringt Wahrheit in das Herz, das dahin geleitet wird, seine Übertretungen zu bekennen; es findet die ganze Last seiner Sünden weggenommen. Die Demütigen und Frommen werden ermuntert, einem Gott zu nahen, den sie also kennen. „Bei dir ist Vergebung, damit du gefürchtet werdest“ (Ps 130,4). Dieser Psalm will somit den Überrest zu einem aufrichtigen Bekenntnis ermuntern, und sobald dieses vorhanden ist, wird er der vollen Segnung teilhaftig werden. Der Psalm ist gleichsam eine prophetische Vorbereitung und eine Schule für jene Gläubigen, indem er vor ihren Blicken das entwickelt, was noch nicht ganz erfüllt ist, wenn sie dahin gebracht sein werden, sich zu Jehova zu wenden, wovon sie aber wissen, dass es in Erfüllung gehen wird. Darum reden diese Psalmen auch von dem Charakter Jehovas, wie er sich dem Grundsatz nach bei den inspirierten Schreibern und in buchstäblichem Sinne oft bei Christo gezeigt hat, um das Vertrauen der Juden am Tage ihrer Bedrängnis wachzurufen und jede unruhige Seele zu beruhigen. Darum finden wir auch das Sich-Rühmen in der völligen Rettung vermischt mit dem Schreien um Rettung; denn einerseits ist alles prophetisch, und andererseits hat es schon Erfüllungen gegeben.
Bevor wir zur Betrachtung der folgenden Psalmen übergehen, lasst uns beachten, dass die Befreiung des Herzens vom Trug, die durch die völlige Vergebung hervorgebracht wird, zu jener Vertraulichkeit mit Gott führt, die bewirkt, dass wir durch Sein Auge geleitet werden. Wir haben dann dieselbe Gesinnung wie Er, und zwar in der Vollkommenheit Seiner eigenen Natur, in der Er sie offenbart. Vergebung führt zu voller Segnung.
PSALM 32 8
Nachdem der Überrest zur Erkenntnis über den Wert des Todes Christi für sie geführt wurde (Ps 31), erfährt er nun den wahren Segen vergebener Übertretungen und zugedeckter Sünden (Ps 32,1.2). Doch dies geschieht nicht ohne ein vorheriges Bekenntnis seinerseits (Ps 32,4.5). Es folgt das zweifache Ergebnis, Gott als einen vergebenden Gott zu kennen: Erstens ein zuversichtliches Bergen in dem Herrn bei Bedrängnis durch jegliche noch existierende Feinde (Ps 32,6.7); und zweitens Führung durch den Herrn auf dem Weg (Ps 32,8.9). Der Psalm endet mit der Ermunterung an die Erlösten, sich in dem Herrn zu freuen (Ps 32,10.11).
Ps 32
David, der die Züchtigung und die Vergebung Gottes erfahren hatte (möglicherweise für die Sünde des Ehebruchs und des Mordes, die in 2Sam 11 berichtet werden), ermutigte andere, den Herrn zu suchen, der mit Sündern gnädig handelt. Wenn sie sich jedoch weigern, sich zu unterwerfen, werden sie die Züchtigung erfahren.
Der Psalm könnte mit Ps 51 in Zusammenhang stehen, der auf die Sünde Davids mit Batseba Bezug nimmt. Damals weigerte sich David ein ganzes Jahr lang, seine Sünde anzuerkennen. Ps 51 war Davids Gebet um Vergebung. Ps 32 würde dann diesem Psalm folgen und Gottes Vergebung und die Lektion, die David gelernt hatte, betonen.
A. Der Segen der Vergebung
( 32,1-2 )
Ps 32,1-2
Der Psalmist, der Gottes Vergebung für seine Sünden empfangen hatte, drückte seine Freude darüber aus. Gesegnet wird in Ps 1,1 der genannt, der ein makelloses Leben führt. Hier wird derjenige mit demselben Wort bezeichnet, der Vergebung empfängt. Gott schenkt völlige Vergebung, denn er rechnet einem reuigen Sünder seine Sünde nicht zu.
B. Die Züchtigung des Unbußfertigen
( 32,3-5 )
Ps 32,3-5
Der Psalmist erfuhr Vergebung, als er seine Sünde eingestand, was er erst nach der Züchtigung Gottes tat. Als er schwieg und seine Sünde nicht bekannte, wurde er körperlich geschwächt (zum Begriff Gebeine vgl. den Kommentar zu Ps 6,3 ) und in seinem Innern gequält. Die Hand (oder Macht) des Herrn lag schwer auf ihm ( Ps 32,4 ), d. h., daß der Herr streng mit ihm verfuhr. Das Ergebnis davon war, daß seine Lebenskraft (Stärke) erschöpft (oder vertrocknet) war wie in der Sommerhitze. Der Ausdruck könnte sich auf eine körperliche Krankheit mit brennendem Fieber beziehen oder aber poetische Sprache für die Gewissensbisse Davids sein.
Deshalb bekannte er Gott seine Sünde. Das ist der Weg der Heilung, denn Gott hatte ihm vergeben.
C. Der Ratschlag dessen, der Vergebung empfangen hat
( 32,6-11 .)
Ps 32,6-7
David ermutigte die Gläubigen, den Herrn zu suchen, denn er handelt gnädig mit den Sündern. Solange der Herr zu finden ist, ist die Zeit des Gebetes da. Dann wird der Gläubige von keinem Unheil (hier wird von mächtigen Wassern gesprochen) überwältigt werden. Aufgrund dieses Trostes pries David den Herrn wieder als Bergungsort ( sETer , in Psalm in Ps 27,5 "Zuflucht"; in Ps 91,1 "Zuflucht" und in Ps 119,114 "Schutz"). Gott schützt diejenigen vor Unheil, die auf ihn vertrauen, und sie können ihn preisen.
Ps 32,8
David gab auch an andere den Ratschlag weiter, sich nicht zu weigern, sich dem Herrn zu unterwerfen, bis er einen dazu zwingt, sondern freiwilig ein Sündenbekenntnis abzulegen. In Vers 8 spricht wohl eher Gott als David, worauf auch die Worte ich wache über dir (vgl. Ps 25,8.12; 73,24 ) hindeuten. Allerdings hat hier auch David die Rolle des Lehrmeisters übernommen (vgl. Ps 34,12;51,15 ).
Ps 32,9-11
Der Psalmist gab seinen Lesern den Ratschlag, sich dem Herrn zu unterwerfen, anstatt stur Widerstand zu leisten wie ein Roß oder ein Maultier, die man bändigen muß. Wer auf den Herrn vertraut, wird seine treue Liebe ( HeseD ) erfahren und ihm Danklieder singen können.