Psalm 51 ist das Bekenntnis des treuen Überrestes. Sie sind völlig in die Gedanken Gottes eingegangen (siehe V. 16). Das ist wahre und vollständige Demütigung vor Gott wegen der Sünde und doch Vertrauen auf Ihn. Mit dem wahren Glauben des Volkes Gottes erwarten sie von Ihm, dass Er reinige und rette. Die Sünde des Herzens und der Natur wird völlig anerkannt, und die schreckliche Missetat der Ermordung Christi wird bekannt (V. 14). Die Demütigung wird angenommen, aber mit dem Gefühl, dass die Reinigung von Seiten Gottes vollkommen ist. Er schafft auch ein reines Herz. Der Überrest bittet, dass der Geist (von dem Haggai sagt, dass Er nach all ihren Sünden und trotz der babylonischen Gefangenschaft in ihrer Mitte bestehe, Kap. 2, 5) nicht von ihm genommen werde, und dass er nicht das Bewusstsein der Gegenwart seines Gottes verlieren möchte. Manche haben in diesem Verse eine Schwierigkeit gefunden; doch ich sehe keine. Es konnte durch die Heiligen des Alten Testamentes nichts Gutes vollbracht werden ohne den Heiligen Geist; wenn dieser von ihnen genommen wurde, so hörten all ihre Freude und ihr Trost auf und machten der Finsternis Platz. Dass dies nicht geschehen möge, bittet der Gläubige. Es kann nicht einen Augenblick zweifelhaft sein, dass der Geist in den alttestamentlichen Heiligen wirkte; es ist nur die Frage, ob Er in derselben Weise gegenwärtig war wie heute, indem Er in ihnen wohnte, kraft des Werkes und der Herrlichkeit Christi, und sie so mit einem auferweckten Haupt im Himmel vereinigte. Das konnte natürlich nicht der Fall sein; das Werk war noch nicht vollbracht, und der Mensch Jesus war noch nicht in die Herrlichkeit eingegangen. Das Neue Testament spricht sehr klar hierüber. Der Geist „war noch nicht“; aber Er muss in und bei den Heiligen wirksam gewesen sein, denn Er ist bei allem Guten tätig. Er ist der handelnde Teil bei jeder göttlichen Wirksamkeit in dem Geschöpf, wie Er auch bei der Schöpfung über den Wassern schwebte; aber vor allem bewirkt Er in den Herzen der Menschen alles Gute, das sich darin findet, und Er ist die Quelle der Freude und Kraft für die Heiligen. So war es bei den Propheten wie auch bei anderen.
Ein Heiliger der Jetztzeit, der seine Stellung kennt, kann nicht sagen, was im 11. Verse dieses Psalmes gesagt wird; er weiß, dass Gott Seinen Geist nicht von ihm nehmen wird. Vielleicht mag jemand in seiner Angst und auch mit aufrichtigem Herzen so sprechen und erhört werden; aber dann besitzt er nicht das wahre Verständnis. Diese Buße Israels ist, wie die Schrift an so vielen Stellen lehrt (siehe Apg 3), auch hier der Weg zu Zions Segnung. Gott wird ihre Opfer annehmen.
In diesen beiden Psalmen (Ps 50 u. Ps 51) finden wir das absondernde Gericht in Israel in Verbindung mit Gottlosigkeit, der Sünde gegen Jehova – ein Gericht, das die wahre Befreiung des Überrestes bedeutet und dann (nachdem Er erschienen ist) das völlige Bekenntnis, sogar dass sie das Blut des Heilands vergossen haben. Diese Psalmen vervollständigen, was die Umstände betrifft, die Entfaltung der ganzen Szene, die die Grundlage dieses Buches bildet.
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Ps 51
Nur wenige Psalmen sind unter den Gläubigen aller Zeiten so viel benutzt worden wie dieser Psalm. Diese Tatsache legt Zeugnis für die geistlichen Nöte von Gottes Volk ab. Ps 51 ist ein Musterbeispiel für das Gebet um Vergebung der Sünden. Seine Überschrift nennt den Anlaß für Davids Sünde des Ehebruchs mit Batseba ( 2Sam 11 ), eine Tat, mit der David mehr als ein Gebot der zehn Gebote übertrat. Immer wieder sind Gläubige durch die Tatsache getröstet worden, daß ihre Sünden vergeben werden können, denn der Herr hatte Davids Sünde auch vergeben.
Häufig wird die Intensität eines Augenblicks durch die Poesie erst recht unterstrichen. Solch ein Augenblick war für David gekommen, als er, nachdem Nathan ihm seine Sünde ins Gesicht gesagt hatte, sie bekannt hatte ( 2Sam 12,13 a). Weil dieser Psalm sich nur um Davids Bekenntnis dreht und kein Wort über die Vergebung Gottes enthält (die im historischen Bericht auf dem Fuße folgte; 2Sam 12,13 b), muß dieser Psalm als ein Nachsinnen über die Bedeutung des Sündenbekenntnisses aufgefaßt werden. Wenn ein Gläubiger sündigt, muß er die Vergebung erhalten, wenn er am Dienst für den Herrn ganz teilnehmen will.
Die Botschaft dieses Psalmes lautet: Der übelste Missetäter unter dem Volk Gottes kann Gott um Vergebung anrufen, um moralische Heilung und um die Wiederaufnahme eines Lebens, das von Freude, Gemeinschaft und Dienst gekennzeichnet ist, wenn er mit einem gebrochenen Geist kommt und seine Bitte auf Gottes Barmherzigkeit und Gnade stützt.
A. Das Gebet am Anfang
( 51,3-4 )
David berief sich auf Gottes Liebe und sein Erbarmen, als er den Herrn bat, ihm aufgrund seiner Gnade zu vergeben und ihn von seiner Sünde zu reinigen.
Ps 51,3 a
Gottes Eigenschaften wie seine treue Liebe ( HeseD ) für seinen Knecht und seine Barmherzigkeit für den Hilflosen waren die Grundlage für Davids Bitte um Gnade. Sogar das Verb sei mir gnädig war ein Gebet, daß Gott doch seinem Wesen entsprechend handeln möge. Es ist auch die Anerkennung, daß David keine Vergebung verdiente. Gottes Vergebung geschieht allein aufgrund seiner Gnade.
Die Psalmen
Ps 51,3-4 (Ps 51,3b-4)
Die drei von David gebrauchten Verben sind hier bildhaft zu verstehen. Tilge aus deutet den Vergleich mit einer Niederschrift eines Menschen an, die ausgelöscht werden kann; wasche mich ( kABas ) stellt einen Vergleich zwischen der Vergebung und dem Waschen von Kleidern her, und der Ausdruck reinige mich stammt aus dem Zeremonialgesetz, wonach man sich vor dem Betreten des Tempels reinigen mußte. Diese Bitten (vgl. V. 9.11 ) unterstrichen Davids Wunsch nach Gottes völliger Vergebung seiner Übertretungen, seiner Ungerechtigkeit und Sünde.
B. Das Bekenntnis der Sünde
( 51,5-8 )
David bekannte, daß er gegen den Herrn gesündigt hatte (V. 5-6 ), und beklagte daraufhin sein moralisches Versagen (V. 7-8 ).
Ps 51,5-6
Wenn David sagte, daß seine Sünde immer vor ihm war, dann muß man sich vergegenwärtigen, daß er sein Bekenntnis erst etwa ein Jahr nach seiner Sünde abgelegt hatte (vgl. 2Sam 12,13-18 ). Vielleicht hatte David sich selbst sein Handeln so rational erklärt, daß er sich seiner Schuld nicht mehr bewußt war, bis Nathan zu ihm kam. Auf jeden Fall bekannte er hier, daß er gegen den Herrn gesündigt hatte. Er unterwarf sich dem Willen des Herrn und nahm an, daß das, was immer Gott mit ihm tun würde, gerecht war.
Ps 51,7-8
Daraufhin erkannte David an, daß er auf moralischem Gebiet versagt hatte. Er war als Sünder geboren worden, d. h., daß er immer Sünde in seinem Leben gehabt hatte. Das war jedoch das Gegenteil von dem, was Gott für das moralische Verhalten eines Menschen befohlen hatte. Schon früh sah er sich einer inneren Spannung ausgesetzt, weil er wußte, daß Gott die Wahrheit und die Weisheit, d. h. ein zuverlässiges und ein fruchtbares Leben erwartete.
C. Davids Bitte
( 51,9-14 )
In Verbindung mit seinem Bekenntnis bat David Gott zuerst um Vergebung (V. 9-11 ), dann um innerliche Erneuerung (V. 12-14 ).
Ps 51,9-11
In dem Gebet um Vergebung wiederholte er dieselben Bitten wie zuvor (vgl. V. 3 b. 4 ), aber in umgekehrter Reihenfolge: reinige, wasche und tilge aus . Wenn David davon sprach, daß Gott ihn mit Ysop reinigen möge, spielte er auf den Gebrauch von Ysop bei den religiösen Zeremonien an, wenn das Blut auf den Altar gesprengt wurde. Dadurch wurde das Wegschaffen der Sünde durch das Blutvergießen dargestellt (vgl. Hebr 9,22 ). Im folgenden bat David Gott, daß er sich wieder an der Beziehung zu Gott erfreuen dürfe. (Zum Zusammenhang zwischen Gebeinen und seelischem Schmerz vgl. den Kommentar zu Ps 6,3 .) Der König bat Gott um innere Erneuerung seiner Herzenshaltung (V. 12 ), um Bewahrung in seinem Dienst für Gott (V. 13 ) und um die Wiederkehr der Freude (V. 14 ). Er war sich darüber bewußt, daß er gleichgültig geworden war und einer Erneuerung bedurfte. Er war sich auch darüber bewußt, daß Saul um seiner Sünde willen sein Königsamt verloren hatte (das AT spricht davon, daß der Heilige Geist ihn verließ), deshalb bat David Gott, seinen Geist nicht von ihm zu nehmen und ihn ebenfalls abzusetzen. Im Neuen Testament macht der Heilige Geist beim Gläubigen zum Zeitpunkt seiner Errettung Wohnung (vgl. Joh 14,16; Röm 8,9 ). Durch die Sünde kann ein Christ auch vom Dienst für Gott verworfen werden ( 1Kor 9,27 ). David war sich auch darüber im klaren, daß er, um die Freude seiner Errettung wieder zu erfahren, Gottes innerliche geistliche Erneuerung nötig hatte.
D. Gelübde zum Lobpreis
( 51,15-19 )
David versprach Gott, daß, wenn er ihm vergäbe, er sich ganz dem Dienst für Gott hingeben werde. Die Bitten in diesen Versen gelten Dingen, die aus der Vergebung heraus resultieren und bilden so indirekte Bitten um Vergebung.
Ps 51,15
Erstens sagte David, daß er, falls Gott ihm vergäbe, die Sünder Gottes Wege lehren wolle (d. h., wie er mit reumütigen Sündern handelt). Natürlich mußte David, um anderen das weitergeben zu können, selbst die Erfahrung der Vergebung machen.
Ps 51,16-17
Zweitens sagte David, daß er, wenn Gott ihm vergäbe, singen und Gott preisen wollte. Nur wenn er von seiner Blutschuld befreit war, konnte er in das Lob Gottes einstimmen.
Ps 51,18-19
Drittens versprach David, daß er, wenn Gott seine Sünde vergäbe, Gott ein Opfer darbringen werde. Er wußte, daß Gott nicht einfach ein Tier opfer von ihm wollte (vgl. Ps 40,7 ). Er mußte Vergebung finden, bevor er Gott ein Friedensopfer bringen konnte. Das Opfer, das er bringen sollte, war ein geängstigtes und zerschlagenes Herz und ein demütiger Geist, der wegen seiner Sünde voller Reue war. Das ist es, was Gott möchte und was er auch bekommen wird.
Im AT mußte an jeden, der so wie David gesündigt hatte, von einem Priester oder Propheten ein Wort ergehen, um anzuzeigen, daß derjenigen Person vergeben war. Nur dann konnte der Reuige wieder am Gottesdienst teilnehmen und ein Friedensopfer darbringen. Im Neuen Testament ist das Wort der Vergebung für immer im Wort Gottes festgeschrieben - das Blut Jesu Christi reinigt von der Sünde ( 1Joh 1,7 ). Dennoch muß auch der Gläubige des NT einen gebrochenen Geist ohne Selbstsicherheit haben; er muß zugeben, daß er Gott nötig hat, um geistliche Erneuerung und Reinigung zu erlangen ( 1Joh 1,9 ).
E. Gebet um Wohlergehen
( 51,20-21 )
Ps 51,20-21
Diese Verse wurden vielfach für eine spätere Hinzufügung zu dem Psalm gehalten, weil sie nicht direkt auf das Thema des Psalms Bezug nehmen. Allerdings besteht eine enge Verbindung zwischen der Erwartung der rechten Opfer (V. 21 ) und Vers 18-19 . Das Gebet um die Errichtung der Mauern von Jerusalem könnte als Gebet für eine gesicherte Verteidigung der Stadt verstanden werden oder auch als bildhaft formulierte Bitte für die Stärkung der moralischen Verteidigung des Volkes. Rechte Verehrung Gottes steht mit dem Leben nach den moralischen Grundsätzen Gottes in Einklang.