PSALM 57
Die Gläubigen des verfolgten Überrestes, die ihr Vertrauen in das Wort Gottes gesetzt haben (Ps 56), wenden sich an den Himmel um Hilfe. Sie realisieren, dass sie Errettung einzig und allein von oben zu erwarten haben. Sie warten darauf, dass Gott den Messias zu ihrer Befreiung sendet (Ps 57,2–4). Obwohl sie nach wie vor die Unterdrückung durch diejenigen spüren, die nach ihrem Leben trachten (Ps 57,5–7), bleiben ihre Herzen fest und unerschütterlich in Gott (Ps 57,8–12). Und obwohl sich die Juden des Überrestes außerhalb des Landes befinden („unter den Völkern“ der Heiden) und fernab des Tempels, preisen und erheben sie Gott.
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PSALM 57
Psalm 57 betrachtet mehr das Böse und die Bewahrung des Gläubigen, indem dieser sich auf das Wort stützt; er ist mehr der Ausdruck des Vertrauens auf Gott, als der Zuflucht des Gerechten, obwohl dieser in demselben Geiste, unter denselben Umständen und auch unter demselben Namen sich zu Gott wendet. Die Flügel Gottes sind ein Bergungsort, bis das Verderben vorübergezogen ist, und der Gläubige erwartet eine völlige Rettung von dem herrlichen Einschreiten Gottes, wodurch der Prüfung ein Ende gemacht werden wird. Gott wird vorn Himmel senden und retten. Daher ist der Schluss dieses Psalmes triumphierender als der des vorhergehenden. „Ich will dich preisen, Herr, unter den Völkern, will dich besingen unter den Völkerschaften. Denn groß bis zu den Himmeln ist deine Güte, und bis zu den Wolken deine Wahrheit“ (V. 9 u. 10). Der Gerechte erwartet, dass Gott Sich über die Himmel erhebe, und Seine Herrlichkeit über der ganzen Erde sei. Auf Erden gibt es keine Hilfe, niemanden, auf den er blicken könnte, aber das wirft ihn gerade völliger auf Gott lind bewirkt so ein zuversichtlicheres Vertrauen auf Seine Beschirmung und auf die schließliche Entfaltung Seiner Macht in der Rettung. So ist es stets. „Gott wird vom Himmel senden“; wie richtet das die Blicke des Überrestes nach oben und verbindet ihn mit einer himmlischen Rettung! Dann wird Jehova gepriesen.
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Ps 57
Ps 57 gleicht von seiner Aussage und seiner Struktur her dem vorhergehenden Psalm, ausgenommen der Tatsache, daß David in Ps 57 viel triumphierender sprach. Die Überschrift weist David als Verfasser aus und erklärt die Entstehung des Psalms mit der Flucht Davids vor Saul in eine Höhle (vgl. die Überschrift von Ps 142 ). Um welche Höhle es sich handelte, ist uns jedoch nicht bekannt (vgl. 1Sam 22;24 ). Der Psalm besteht aus zwei Teilen, die beide mit einem Refrain enden ( Ps 57,6.12 ). In diesem Refrain verlieh David seinem Wunsch Ausdruck, daß Gott erhöht werden möge. David betete um Errettung vor seinen Feinden, die ihm nach dem Leben trachteten, und sang dann ein Triumphlied über Gottes treue Liebe, denn er erwartete, daß die Gottlosen durch ihre eigenen Pläne zu Fall kämen.
A. Gottes Eingreifen ist dringend nötig
( 57,2-6 )
Ps 57,1-4
Die erste Strophe (V. 2-6 ) enthält den Schrei des Psalmisten, daß Gott ihn doch erretten möge. Er schrie um Gnade (vgl. Ps 56,2 ) von Gott, denn er hatte seine Zuflucht im Schatten seiner Flügel genommen (vgl. Ps 17,8;36,8;61,5;63,8;91,4 ), bis das Unheil vorüber war. David konnte sich an niemand sonst wenden, um Schutz zu erhalten. Sein Vertrauen war jedoch wohl begründet, denn Gott hatte seine Liebe ( HeseD , "treue Liebe") und Treue (vgl. Ps 57,11 ) vom Himmel gesandt. Aufgrund der Eigenschaften Gottes wußte David, daß er ihn vor der harten Verfolgung (vgl. Ps 56,2-3 ) der Gottlosen erretten werde.
Ps 57,5
Dem vertrauensvollen Ruf Davids zu Gott folgte eine Klage über seine mißliche Lage. Er verglich seine Feinde mit Löwen (vgl. den Kommentar zu Ps 7,3 ) und anderen Raubtieren, die ihn verschlingen wollten. Ihre Zähne und Zungen waren wie Kampfwaffen, denn sie verleumdeten und verlästerten David. (Zum Vergleich der Zunge mit einem Schwert vgl. Ps 55,22;59,8;64,4 .) David beklagte, daß er von spottenden, blutgierigen Männern umzingelt war.
Ps 57,6
In diesem Refrain (vgl. V. 12 ) drückte David seinen Wunsch aus, daß Gott über die Himmel und die Erde erhöht werden möge. Das wird selbstverständlich dann geschehen, wenn Gott seine Feinde vernichtet und seine Gerechtigkeit behauptet.
B. Der Anlaß für den Triumphgesang
( 57,7-12 )
Diese zweite Strophe ist das an Gott gerichtete Lied des Psalmisten für seine treue Liebe und Güte in Vorausahnung des Sieges.
Ps 57,7
David sprach noch einmal von seiner mißlichen Lage, fügte jedoch hinzu, daß er die Vernichtung seiner Widersacher erwartete. Sie spannen ein Netz aus, sie graben eine Grube, aber sie sind selbst hineingefallen . Damit hat sich David zum vierten Mal auf diese Art und Weise ausgedrückt (vgl. "Grube" in Ps 7,16 und "Grube" und "Netz" in Ps 9,16;35,8 ). Der Wortgebrauch der Begriffe "Netz" und "Grube" beschreibt selbstverständlich die Versuche der Gottlosen, David zu überwältigen.
Ps 57,8-12
Diese Verse stimmen fast völlig mit Ps 108,2-6 überein. Angesichts der gewissen Vernichtung der Gottlosen gelobte David, ein Siegeslied zu singen. Mit seinem Glauben, den er in dem Herrn hatte, konnte er ihn früh am Morgen in Vorausschau dessen preisen, was Gott tun würde. David sagte, daß er die Liebe ( HeseD , "treue Liebe") und Treue (vgl. Ps 57,4 ) des Herrn dort preisen würde, wo andere ihn hörten.
Im Refrain in Vers 12 (vgl. V. 6 ) drückte David noch einmal seinen Wunsch aus, daß Gott über die Himmel und die Erde erhöht werden möge.