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J.D. Pentecost; Bibel und Zukunft - Teil 1 - Kapitel 3

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  • J.D. Pentecost; Bibel und Zukunft - Teil 1 - Kapitel 3

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    KAPITEL III
    GRUNDSÄTZLICHE ERWÄGUNGEN ZUR AUSLEGUNG

    Die Geschichte der Auslegung hat uns gezeigt, daß die Annahme der richtigen Aus-
    legungsmethode allein keine Garantie für richtige Auslegung ist. So legten die Rabbinen
    zwar wörtlich aus, gelangten aber dennoch zu einer Vielzahl von falschen Ansichten und
    Auslegungen, weil sie die wörtliche Methode falsch anwandten. Es ist daher notwendig
    auch nachdem die Entscheidung für die richtige Methode gefallen ist -, einige Prinzipien
    der Auslegung festzulegen, um ein falsches Anwenden der richtigen Methode und damit
    falsche Schlußfolgerungen zu vermeiden.


    I. Die Auslegung von Wörtern

    Es ist unbestritten, daß Wörter zur Gedankenübermittlung dienen. Daher muß eine
    gesunde Exegese mit der Auslegung der Wörter selbst beginnen. Horne gibt in seiner
    unschätzbaren "Introduction to the Critical Study and Knowledge of the Holy Scriptures"
    eine exzellente Zusammenfassung der Prinzipien, die bei der Auslegung von Wörtern zu
    beachten sind.


    1. Stelle fest, wie ein Wort in der Regel gebraucht wird, welche Vorstellung die Perso-
    nen gewöhnlich damit verbinden, die die entsprechende Sprache früher sprachen bzw.
    heute sprechen, und ermittle vor allem, in welchen besonderen Zusammenhängen diese
    Vorstellungen gemeinhin auftauchen.

    2. Die so ermittelte Bedeutung eines Wortes ist beizubehalten, es sei denn, gewichtige
    und notwendige Gründe erforderten es, da dieser Sinn aufgegeben wird oder zumindest
    in den Hintergrund tritt.

    3. Wenn ein Wort auch im gewöhnlichen Gebrauch mehrere Bedeutungen hat, muß die
    Bedeutung herausgefunden werden, die dem jeweiligen Text am besten gerecht wird, die -
    soweit bekannt - mit dem Charakter, den Gefühlen, der Situation und den Umständen,
    unter denen der Autor schrieb, in Übereinstimmung steht.

    4. Obwohl der Sinn einiger Wörter nur mit Hilfe der Etymologie1 hergeleitet werden
    kann, sollte man nicht zu viel Vertrauen in diese oft unsichere Wissenschaft setzen, da
    die ursprüngliche Bedeutung eines Wortes sich oft gravierend von der später üblichen
    unterscheidet.

    5. Die Unterschiede zwischen offensichtlich sinnverwandten Wörtern sollten sorgfältig
    untersucht und erwogen werden.

    ———

    1 Etymologie = Wissenschaft von der Herkunft und Grundbedeutung der Wörter.
    ———
    6. Die Attribute, die von den heiligen Schreibern benutzt werden, müssen gleichfalls
    sorgfältig gewichtet und erwogen werden, da sie alle entweder erklärenden Charakter
    haben oder dazu dienen, Unterscheidendes bzw. Verbindendes deutlich zu machen.

    7. Hauptwörter werden manchmal in ihrer ganzen Bedeutungsfülle und manchmal in
    einem eingeschränkten Sinn verwendet. Ob sie nun so oder so zu verstehen sind, hängt
    von Thema, Inhalt, Kontext und den jeweiligen Parallelabschnitten ab.

    8. Bei jedem Abschnitt ist der einfachste Sinn - oder derjenige, der sich einem aufmerk-
    samen und verständigen Leser mit hinreichenden Kenntnissen ohne weiteres aufdrängt
    mit aller Wahrscheinlichkeit der richtige.

    9. Da es das Ziel der Auslegung ist, in unseren heutigen Sprachen genau das zu über-
    mitteln, was die heiligen Schreiber ursprünglich in Hebräisch oder Griechisch schrieben,
    dürfen Übersetzungen oder Auslegungen, die korrekt sein wollen, nicht mehr bekräftigen
    oder verneinen als von den inspirierten Schreibern in der damaligen Zeit beabsichtigt
    war. Wir sollten folglich bereitwilliger eine Bedeutung aus der Schrift übernehmen, als
    selbst eine hineinzulegen.

    10. Bevor wir Schlußfolgerungen aus dem Sinn eines Textes ziehen, um damit irgend
    etwas zu beweisen, müssen wir sicher sein, ob ein solcher Sinn überhaupt mit dem
    natürlichen Textverständnis zu vereinbaren ist.1


    Angus und Green ergänzen Horne mit den Worten:

    Die Worte der Schrift müssen gemäß ihrer gewöhnlichen Bedeutung verstanden werden,
    es sei denn, diese ist unvereinbar mit anderen Wörtern in einem Satz, mit der Aussage
    eines Abschnittes, mit dem Kontext oder mit anderen Teilen der Schrift. Grundsätzlich ist
    bei zwei möglichen Bedeutungen diejenige vorzuziehen, die offensichtlich besser das
    Verständnis der damaligen Hörer oder Leser eines inspirierten Abschnittes trifft. Damit
    werden sowohl das seinerzeit vorherrschende Denken als auch die üblichen bildlichen
    Redewendungen berücksichtigt, die weithin bekannt waren und nicht von den allgemeinen
    sprachlichen Regeln abwichen.

    Der wahre Sinn eines Textabschnitts der Schrift erschließt sich demnach nicht, indem
    man alle möglichen Wortbedeutungen anwendet oder einen Sinn, der in sich selbst wahr
    ist, hineinlegt. Der wahre Sinn ist vielmehr der von den inspirierten Schreibern oder
    auch vom Heiligen Geist beabsichtigte, wobei die Schreiber selbst diesen Sinn nicht
    immer voll erfaßten...
    2
    ———-

    1 Thomas Hartwell Horne, Introduction to the Critical Study and Knowledge of the Holy Scriptures, 1, 325-326.
    2 Joseph Angus and Samuel G. Green, The Bible Hand-Book, Seite 180.

    ———-
    Wir fassen zusammen, daß Wörter gemäß ihrer üblichen, normalen und wörtlichen
    Bedeutung auszulegen sind.


    II. Die Auslegung des Kontextes1

    Zum zweiten ist es sehr wichtig, auf den Kontext zu achten, in dem ein Abschnitt steht.
    Es gibt bestimmte Regeln, an denen man sich bei der kontextuellen Auslegung orientieren
    kann. Horne faßt sie wie folgt zusammen:


    1. ..ein sorgfältiges Einbeziehen der vorhergehenden und nachfolgenden Abschnitte
    wird es uns ermöglichen, die Bedeutung - sei sie nun wörtlich oder bildlich -, die am
    besten zu dem auszulegenden Abschnitt paßt, zu bestimmen.

    2. Der Kontext einer Rede oder eines Buches in der Schrift kann aus einem Vers,
    mehreren Versen, ganzen Abschnitten, ganzen Kapiteln oder ganzen Büchern bestehen.

    3. Manchmal befaßt sich ein Buch der Schrift nur mit einem einzigen Thema oder einer
    einzigen Argumentationsrichtung, so daß man bei der Auslegung das Buch in seiner
    Gesamtheit in Beziehung zu Vorhergehendem und Nachfolgendem setzen und es als
    Einheit betrachten muß.

    Wenn man den Kontext eines Abschnittes untersucht, ist es wünschenswert,

    I. jedes einzelne Wort der Abschnitte zu untersuchen. Da die Verbindung (zweier Ab-
    schnitte) durch Partikel erfolgt, sollte diesen immer die Bedeutung beigelegt werden, die
    Thema und Kontext erfordern;

    2. den ganzen Abschnitt genauestens zu untersuchen;

    3. einen Vers oder Abschnitt nicht mit einem entfernten Kontext in Verbindung zu
    bringen, es sei denn, dieser stimmt besser mit ihm überein als der nahe Kontext;

    4. zu untersuchen, ob der Schreiber seinen Gedankengang fortsetzt, damit man nicht
    irrtümlich meint, er wechsle das Thema, während dies in Wirklichkeit nicht der Fall ist;

    5. insbesondere die Einschübe in den Heiligen Schriften zu beachten. Allerdings sollte
    bei der Auslegung nicht ohne hinreichenden Grund von einem Einschub ausgegangen
    werden;

    6. keine Erklärung zu akzeptieren, die nicht zum Kontext paßt;

    7. keine Verbindung mit dem vorhergehenden und nachfolgenden Abschnitt eines Textes
    zu suchen, wenn eine solche nicht existiert.
    2
    ———-

    1 Kontext: Textzusammenhang.
    2 Horne, a.a.O., I, 336ff.

    ———-
    III. Die historische Auslegung

    Drittens ist bei jeder Auslegung der unmittelbare historische Hintergrund sorgfältig zu
    erwägen. Berkhof gibt eine exzellente Zusammenfassung aller Punkte, die in dieser Phase
    der Auslegung zu beachten sind.


    1. Grundvoraussetzungen für die historische Auslegung:

    a) Das Wort Gottes enstand in einem bestimmten historischen Zeitraum und kann
    daher nur im Licht der Geschichte verstanden werden.

    b) Ein Wort wird erst dann richtig verstanden, wenn es als lebendiges Wort, das dem
    Geist des Autors entstammt, begriffen wird.

    c) Ohne Kenntnis des besonderen historischen Hintergrundes ist es unmöglich, einen
    Autor zu verstehen und seine Worte richtig auszulegen.

    d) Ort und Zeit, die jeweiligen Umstände, die vorherrschenden Ansichten zur Welt und
    zum Leben im allgemeinen färben naturgemäß auf die Schriften ab, die unter eben diesen
    zeitlichen, örtlichen und sozialen Gegebenheiten entstehen.

    2. Anforderungen an den Ausleger. In Anbetracht obiger Voraussetzungen stellt die
    historische Auslegung folgende Anforderungen an den Ausleger:

    a) Er muß versuchen, den Autor kennenzulernen, dessen Werk er erklären will: Ab-
    stammung, Charakter und Temperament, intellektuelle, moralische und religiöse Eigen-
    schaften und auch die äußeren Umstände seines Lebens...

    b) Es wird seine Pflicht sein, das Umfeld, in welchem die jeweiligen Schriften wahr-
    scheinlich entstanden, also die Welt des Autors, soweit wie möglich unter Zuhilfenahme
    historischer Daten und Hypothesen zu rekonstruieren. Er wird sich über die Geographie
    des Landes, in welchem man die Bücher schrieb, über Charakter und Geschichte, Ge-
    wohnheiten, Moral und Religion der Menschen, unter denen sie geschrieben und von
    denen sie zusammengestellt wurden, informieren müssen.

    c) Es ist von äußerster Wichtigkeit, daß er die verschiedenen Einflüsse, die unmittel-
    barer den Charakter der Schriften bestimmten, in Erwägung zieht, wie zum Beispiel die
    ursprünglichen Leser, den Anlaß für das Schreiben, das Alter des Autors, seine Geistes-
    verfassung und die besonderen Umstände, unter denen er sein Buch ausarbeitete.

    d) Darüber hinaus muß er sich, für das NT z.B., selbst in die orientale Welt des ersten
    Jahrhunderts n. Chr. hineindenken. Er muß sich in die Lage des Autors versetzen und
    versuchen, in dessen Geist einzudringen, bis er gleichsam dessen Leben lebt und dessen
    Gedanken denkt. Das bedeutet, daß er sich vor dem ziemlich häufigen Fehler hüten muß,
    den Autor in die Gegenwart zu holen und ihn die Sprache des zwanzigsten Jahrhunderts
    sprechen zu lassen..
    1
    ———

    1 Louis Berkhof, Principles of Interpretation, Seiten 113ff.
    ———

    IV. Die grammatikalische Auslegung

    Viertens darf man bei der Auslegung nicht die Grammatik der Sprache, in der der Text
    ursprünglich niedergeschrieben wurde, außeracht lassen. Das setzt natürlich die Kenntnis
    dieser Sprachen voraus.

    Elliott und Harsha, die Cellerier übersetzten, stellen folgende fundamentale Regel auf:


    Der Ausleger sollte sein Arbeit mit dem Studium des grammatikalischen Textsinns unter
    Zuhilfenahme der unverbrüchlichen Philologie beginnen. Wie bei allen anderen Schriften
    auch, muß der grammatikalische Sinn der Ausgangspunkt sein. Die Bedeutung eines
    Wortes ist anhand seiner linguistischen Verwendung und gemäß seiner Verknüpfung (mit
    anderen Satzteilen A.d.U.) zu bestimmen.
    1

    Terry ergänzt:


    Davidson sagt: Recht verstandene grammatikalische und historische Auslegung ent-
    sprechen einander. Die besonderen Gesetze der Grammatik - jeweils abhängig von der
    Sprache der heiligen Schreiber - waren ja das Resultat ganz besonderer Umstände, und
    die Geschichte allein führt uns zurück zu diesen Umständen. Für die Autoren der Schrift
    wurde keine neue Sprache geschaffen. Sie benutzten die üblichen Sprachen ihres Landes
    und ihrer Zeit. Ansonsten wären ihre Werke nicht verständlich gewesen. Sie gebrauchten
    die Wörter so, wie dies üblich war, wobei sich deren Verwendung in Abhängigkeit von
    den äußeren und inneren Umständen, unter denen sie schrieben und dachten, veränderte,
    was ganz natürlich ist! ... Der gleiche Schreiber stellt weiter fest: Den grammatikalisch-
    historischen Sinn erhält man durch die Anwendung grammatikalischer und historischer
    Uberlegungen. Es gilt vor allem, den üblichen Sprachgebrauch zu ermitteln, der die
    Gesetze oder Prinzipien aller Grammatik in sich schließt, die wiederum als Grundlage
    für alle Sprachen dient. Ein Ausleger muß sich mit diesem üblichen Sprachgebrauch
    befassen und die zugrundeliegenden grammatikalischen Prinzipien erkennen und beachten
    ... je mehr wir uns mit historischen Untersuchungen beschäftigen, desto besser wird
    unsere Kenntnis des jeweils üblichen Sprachgebrauchs sein...2


    Terry beschreibt gut die Methodenlehre und die Absicht der grammatikalisch-historischen
    Methode. Er sagt:


    Wir können die grammatikalisch-historische Methode als diejenige bezeichnen, die sich
    dem Urteilsvermögen und dem Gewissen christlicher Gelehrter am meisten empfiehlt. Ihr
    fundamentales Prinzip ist es, aus der Schrift selbst die präzise Bedeutung zu gewinnen,
    die die Schreiber übermitteln wollten. Sie geht an die heiligen Schriften mit den gleichen
    Prinzipien, den gleichen grammatischen Methoden und dem gleichen gesunden Men-

    ———

    1 Charles Elliott and W.J. Harsha, Biblical Hermeneutics, Seite 73.
    2 Milton S. Terry, Biblical Hermeneutics, Seiten 203-204.

    ———-
    schenverstand heran wie an alle anderen Bücher auch. Der grammatikalisch-historische
    Ausleger, der hinsichtlich Intellekt, Bildung und sittlichem Verhalten angemessen qualifi.
    ziert ist, wird die Ansprüche der Bibel ohne Vorurteil oder feindlich gesinnte Voreinge.
    nommenheit akzeptieren. Er wird nicht den Ehrgeiz haben, die Bibel als wahr oder falsch
    beweisen zu wollen, sondern er wird die Sprache und Bedeutung jedes Buches mir
    furchtloser Unabhängigkeit untersuchen. Er wird die Sprache des Autors, seinen beson-
    deren Dialekt, seinen jeweiligen Stil und seine Ausdrucksweise genau kennen. Er wird die
    Umstände, unter denen der Autor schrieb, die Gepflogenheiten seiner Zeit sowie die
    Absicht oder das Ziel seiner Niederschrift untersuchen. Er ist berechtigt, davon auszu-
    gehen, daß kein vernünftiger Autor sich bewußt widersprechen wird oder danach trachtet,
    seine Leser zu verwirren und irrezuführen.
    1


    V. Die Auslegung bildlicher Sprache

    Ein Hauptproblem der Auslegung ist die Frage, wie bildliche Sprache auszulegen ist. Da
    in den prophetischen Schriften häufig bildliche Sprache benutzt wird, ist diese Art sich
    mitzuteilen detailliert zu untersuchen.

    a) Der Gebrauch bildlicher Sprache

    Es wird allgemein anerkannt, daß bildliche Sprache sowohl zur Verzierung als auch zur
    Übermittlung abstrakter Ideen verwandt wird.


    Es ist für den menschlichen Verstand erforderlich, Tatsachen, die geistige Dinge oder
    geistliche Wahrheiten betreffen, in eine Sprache zu kleiden, in der man auch materielle
    Dinge beschreibt. Wir können uns keinen eindeutigen Begriff von Wörtern mit ausschließ-
    lich geistlichem oder abstraktem Gehalt machen.

    Nun gefällt es Gott, sich herabzulassen und diesem Erfordernis Rechnung zu tragen.
    Er vermittelt uns neues Wissen, indem er sich auf bereits Bekanntes bezieht. Er offenbart
    sich selbst in uns schon vertrauten Begriffen.
    2

    b) Wann ist Sprache wörtlich, wann bildlich?

    Diese Frage ist es, die ein Ausleger zunächst beantworten muß. Horne zeigt auf, was
    alles mit diesem Problem zusammenhängt:
    ——-

    1 Ebd. Seite 173.
    2 Angus-Green, a.a.O., Seite 215.

    ———-
    Um nun die bildliche Sprache der Schrift richtig zu verstehen, ist es zuerst einmal
    notwendis, festzustellen und zu ermitteln, was überhaupt bildlich gemeint ist, damit wir
    nicht das wörtlich verstehen, was bildlich verstanden werden will - wie es bei den
    Jüngern des HERRN und den Juden häufig der Fall war - und damit wir andererseits
    nicht wörtlich zu verstehende Begriffe durch bildliche Auslegungen verdrehen. Zweitens
    müssen wir korrekt auslegen und den wahren Sinn bildlicher Rede übermitteln, nachdem
    wir herausgefunden haben, was tatsächlich bildlich gemeint ist.
    1

    Lockhart nennt eine einfache Regel, um zu bestimmen, was wörtlich und was bildlich
    gemeint ist:


    Wenn die wörtliche Bedeutung eines Ausdrucks oder Begriffes im Textzusammenhang
    einen vernünftigen Sinn ergibt, ist wörtlich auszulegen. Wenn sie keinen vernünftigen
    Sinn ergeben, wollen die Ausdrücke und Begriffe bildlich verstanden werden.
    2

    Später fügt er hinzu:


    Da ein Begriff üblicherweise in seiner wörtlichen Bedeutung verwendet wird und in
    diesem Sinn viel häufiger auftaucht als in einem bildlichen, ist es auch wörtlich zu
    verstehen, es sei denn, gute Gründe sprechen für ein anderes Verständnis... Die wörtliche
    und gebräuchliche Bedeutung eines Begriffs ist einem bildlichen und weniger gebräuchli-
    chen Sinn vorzuziehen, wenn sie sich mit dem jeweiligenTextzusammenhang verträgt.
    3

    Somit wird ein Ausleger von der wörtlichen Bedeutung eines Begriffs ausgehen, wenn nicht
    gute Gründe dagegen sprechen. Diese Voraussetzung stellt Hamilton auf, der den Gebrauch
    allegorischer Auslegung bei prophetischen Schriften befürwortet.


    ..Es ist eine gute Arbeitsregel, daß wörtliche Auslegung von Prophetie zu akzeptieren
    ist, es sei denn

    (a) die Abschnitte enthalten offensichtlich bildliche Rede

    (b) das Neue Testament autorisiert eine andere als die wörtliche Auslegung oder

    (c) eine wörtliche Auslegung führt zu Widersprüchen mit Wahrheiten, Prinzipien oder
    Tatsachen, die in den nicht-symbolischen Büchern des Neuen Testamentes enthalten sind.
    Eine andere klare Regel, die es zu beachten gilt, besagt, daß eindeutige Abschnitte aus
    nicht-symbolischen Büchern des Neuen Testamentes dunklen, bruchstückhaften Offenba-
    rungen des Alten Testamentes als Grundlage für die Auslegung der Prophetie vorzuzie-
    hen sind. Wir sollten also von den klaren, eindeutigen Abschnitten der Schrift ausgehen,
    um die wahre Bedeutung von schwierigeren Schriftstellen herauszufinden.
    4
    ———

    1 Horne, a.a.O., I, 356.
    2 Clinton Lockhart, Principles of Interpretation, Seite 49.
    3 Ebd., Seite 156.
    4 Floyd Hamilton, The Basis of Millennial Faith, Seiten 53-54.

    ———-
    Es ist meistens ziemlich offensichtlich, wenn die Sprache bildlich ist. Dazu Fairbairn:


    .…. In den weitaus meisten Fällen, in denen die Sprache bildlichen Charakter trägt, wird
    dies durch den jeweiligen Sprachgebrauch oder durch den Zusammenhang deutlich.
    Daneben gibt es eine Anzahl von Abschnitten, in denen die sogenannten Synekdochen
    1
    häufig vorkommen. Auch diese Figuren sind in der Regel leicht zu entdecken.2

    Anschließend nennt derselbe Autor einige Prinzipien, anhand derer man bestimmen kann,
    ob ein Abschnitt wörtlich oder bildlich zu verstehen ist.


    Erstens gilt, daß die benutzte Sprache bildlich sein muß, wenn sich ihr wörtliches Ver.
    ständnis nicht mit dem eigentlichen Thema eines Abschnitts verträgt. Als zweites Prinzip
    bleibt festzuhalten, daß der bildliche und nicht der wörtliche Sinn der richtige sein muß,
    wenn sich bei wörtlicher Auslegung etwas Widerspruchsvolles oder moralisch Unpassen-
    des ergibt. Falls nach Anwendung dieser beiden Prinzipien immer noch Zweifel bleiben,
    ob man es mit wörtlicher oder bildlicher Sprache zu tun hat, sollte man sich bemühen,
    unter Hinzuziehung von Parallelstellen (falls es diese gibt), die das gleiche Thema ein-
    deutiger oder ausführlicher behandeln, zu einer Klarstellung zu kommen.
    3

    Zu Klärung dieser Problematik schreibt Cellerier:


    Diese Untersuchung kann nicht allein durch intellektuelle Wissenschaft erfolgreich
    durchgeführt werden. Daneben sind Urteilskraft, Glaube, ein kritisches Feingefühl sowie
    Unparteilichkeit erforderlich. In diesem Zusammenhang können lediglich ein paar
    allgemeine Hinweise gegeben werden.

    (a) A priori: Insbesondere bei poetischen oder spruchreichen Schriften sowie bei volks-
    nahen, allgemeinverständlichen Reden ist die Wahrscheinlichkeit groß, auf Bildersprache
    zu treffen. Grundsätzlich erhöht sich diese Wahrscheinlichkeit, wenn die Annahme
    berechtigt ist, daß sich der Autor durch seine Situation, sein Thema oder seine Absicht
    veranlaßt sah, eine solche Sprache zu verwenden. Die Wahrscheinlichkeit ist noch
    größer, wenn der zu untersuchende Abschnitt belebend und fein ausgearbeitet ist und
    offensichtlich auf Gegenstände anderer Natur anspielt.

    (b) A posteriori: Die Wahrscheinlichkeit erhöht sich ein weiteres Mal, wenn der wörtli-
    che Sinn absurd wäre
    Allerdings reichen all diese Wahrscheinlichkeiten allein immer noch nicht aus. Darüber
    hinaus ist es erforderlich, den Abschnitt bis in alle Einzelheiten kritisch, exegetisch und
    gewissenhaft zu untersuchen. Erst wenn die bildliche Bedeutung durch all diese Über-

    ———-

    1 Synekdochen = rhetorische Figur; Setzung des engeren Begriffs für den umfassenderen).
    2 Patrick Fairbairn. Hermeneutical Manual, Seite 138.
    3 Ebd.

    ———-
    prüfungen erhärtet worden ist, kann man sich auf sie als auf die richtige Auslegung
    verlassen.
    1

    Diese ganze Fragestellung, wann Sprache bildlich und wann sie wörtlich ist, wird sehr
    gut von Terry zusammengefaßt:


    Es ist schwerlich notwendig, ja, fast unmöglich, spezifische Regeln zur Bestimmung von
    bildlicher bzw. wörtlicher Sprache aufzustellen. Ein altes, oft angeführtes hermeneuti-
    sches Prinzip besagt, daß Wörter in ihrem wörtlichen Sinn zu verstehen sind, es sei denn,
    dieser Sinn führe zu einem klaren Widerspruch oder einer Ungereimtheit. In der Praxis
    ist dieses Prinzip lediglich ein Appell an das vernünftige Urteilsvermögen jedes Aus-
    legers. Was dem einen äußerst absurd und unwahrscheinlich erscheint, mag für einen
    anderen klar und folgerichtig sein.. Zu gewährleisten ist ferner der Bezug (der Aus-
    legung) zum allgemeinen Charakter und Stil des jeweiligen Buches, zur Absicht des
    Autors und zum Kontext des betreffenden Abschnitts. Insbesondere sollte streng auf den
    Sprachgebrauch der inspirierten Schreiber geachtet werden, so wie er sich durch einen
    gründlichen Vergleich aller Parallelstellen ermitteln läßt. Bei der Auslegung von bildli-
    cher Sprache kommen die gleichen grundsätzlichen Prinzipien zur Anwendung, die man
    bei der Feststellung des grammatikalisch-historischen Sinns benutzt. Man sollte nie
    vergessen, daß die bildlichen Abschnitte der Bibel genauso zuverlässig und wahr sind,
    wie die prosaischen Kapitel. Metaphern, Allegorien, Gleichnisse und Symbole sind von
    Gott gewählte Ausdrucksformen. Sie dienen der Darstellung Seiner Aussprüche und wir
    dürfen nicht annehmen, daß ihre Bedeutung so vage und unsicher sei, daß sie sich gar
    nicht erst herausfinden ließe. Wir glauben, da die bildlichen Teile der Schrift größ-
    tenteils nicht so schwer zu verstehen sind, wie gemeinhin angenommen wird. Der Aus-
    leger sollte sich bemühen, durch sorgfältiges, vernünftiges Abwägen und Unterscheiden
    das Wesen und die Bedeutung jedes Bildes zu bestimmen und es in Übereinstimmung mit
    den gebräuchlichen Sprachgesetzen, dem Kontext sowie dem Umfeld und der Absicht des
    Autors zu erklären.
    2

    Cooper hat sorgfältig dargelegt, wann wörtlich und wann bildlich auszulegen ist. An seiner
    Regel können wir uns orientieren:


    Wenn die Bedeutung der Schrift klar und einleuchtend ist, solltest du keinen anderen Sinn
    suchen! Versteh jedes Wort in seinem ursprünglichen, allgemein geläufigen, gewöhnli-
    chen und wörtlichen Sinn, wenn nicht ein Studium des unmittelbaren Kontextes - im Licht

    ———-

    1 Elliot and Harsha, a.a.O., Seiten 144-145.
    2 Terry, a.a.0., Seiten 159-160.

    ———-
    von Parallelstellen und unumstößlichen, fundamentalen Wahrheiten - ganz klar eine
    andere Bedeutung erkennen läßt.
    1

    Dieses Prinzip ist als Grundregel für den Ausleger gut geeignet.

    c) Die Auslegung bildlicher Sprache

    Die bildliche Sprache wirft zum zweiten die Frage auf, welche Methode bei ihrer
    Auslegung zu verwenden ist.

    Dabei ist zuallererst zu bedenken, daß die bildliche Sprache eine Wahrheit übermitteln
    will, die sich deutlicher durch den Gebrauch von Bildern als durch andere Stilmittel
    darstellen läßt. Die Bedeutung der einzelnen Wörter ist in diesem Zusammenhang der
    Bedeutung des Bildes untergeordnet. Dazu Chafer:


    Der buchstäbliche Sinn der Wärter, die in sprachlichen Bildern Verwendung finden, ist
    nicht mit der eigentlichen Bedeutung des Bildes zu verwechseln. Es geht vielmehr um den
    Sinn, der durch den Gebrauch des Bildes ausgedrückt werden soll. In all diesen Fällen
    gibt es daher nur eine Bedeutung, so daß der wörtliche Sinn aufgegeben werden muß. In
    diesem Zusammenhang schreibt Cellerier: 'Die Offenbarung ... wurde in volkstümliche
    Formen gekleidet, die stark von östlichen Stilmitteln - Verwendung von Metaphern,
    Poesie und Gleichnissen - durchdrungen sind und einen Sinn übermitteln, der nicht der
    buchstäblichen Bedeutung der Wörter entspricht. Doch selbst dann gibt es nicht einen
    wörtlichen und einen metaphorischen Sinn zugleich. Vielmehr ist der metaphorische Sinn
    der einzig zutreffende. Die Worte als solche ergeben keinen Sinn und wollen nichts
    aussagen, sondern dienen nur der Übermittlung der metaphorischen Bedeutung. Es gibt
    also nur einen einzigen wahren Sinn.
    2

    Horne hat eine umfassende Auflistung von Regeln erstellt, die helfen sollen, den in dem
    jeweiligen Bild enthaltenen Sinn richtig zu bestimmen:


    1. Die wörtliche Bedeutung der Wörter ist eher in den historischen als in den poeti-
    schen Büchern der Schrift beizubehalten.

    2. Die wörtliche Bedeutung der Wörter muß aufgegeben werden, wenn sie entweder
    unpassend wäre, eine Unmöglichkeit in sich schließen würde, oder wenn sie den lehrmä-
    Bigen und moralischen Richtlinien anderer Schriftabschnitte entgegenstünde.

    3. Bei Vergleichen ist zu untersuchen, in welcher Hinsicht sich die Vergleichsobjekte
    Sache und Bild - ähneln und inwieweit sie übereinstimmen.

    ————

    1 David L. Cooper, The God of Israel, Seite ili.
    2 Rollin T. Chafer, The Science of Biblical Hermeneutics, Seiten 80-81.

    ————
    a) Der Sinn eines bildlichen Abschnitts wird erkannt werden, wenn die Ähnlichkeit
    swischen dem Bild und dem damit verglichenen Sachverhalt so 'klar ist. daß sie sofort
    wahrgenommen wird.

    b) Da durch die biblischen Metaphern in der Regel ein einzelner Punkt ganz besonders
    betont werden soll, wird sich der Sinn einer Metapher erschließen, wenn der entspre-
    chende Kontext erwogen wird.

    c) Der Sinn eines bildlichen Ausdrucks wird oft durch die eigene Erklärung des in-
    spirierten Autors deutlich.

    d) Der Sinn eines bildlichen Ausdrucks läßt sich auch durch das Hinzuziehen von
    Parallelstellen ermitteln, falls in ihnen die gleiche Sache eindeutig und wörtlich ausge-
    drückt wird, oder falls dort das gleiche Wort auftaucht, so daß dessen Bedeutung leicht
    erfaßt werden kann.

    e) Beachte den geschichtlichen Hintergrund.

    f) Beachte sowohl lehrmäßige Zusammenhänge als auch den Kontext des bildlichen
    Abschnitts.

    8) Wenn man dabei ist, den Sinn einer Metapher festzustellen, sollte man den Vergleich
    (zwischen Wirklichkeit und Bild) nicht zu weit ausdehnen und keine Anwendungen auf
    dargestellte Personen oder Sachverhalte vornehmen, die ungeeignet sind.
    h) Bei der Auslegung von bildlichen Ausdrücken und hier insbesondere von Begriffen,
    die in ethischen Abschnitten der Bibel verwendet werden, sollte die Bedeutung dieser
    Ausdrücke klar und eindeutig bestimmt werden.

    4. Zuletzt müssen wir bei der Erklärung der Bildersprache der Schrift darauf achten,
    daß wir nicht aufgrund unseres modernen Sprachgebrauchs zu unpassenden Vergleichen
    und Anwendungen kommen. Vielmehr ist zu bedenken, daß man damals oft einer Sache
    eine bestimmte Vorstellung beilegte, die sich stark von den Gedanken unterscheidet, die
    wir gewöhnlich heute damit verbinden.
    1

    Diese Regeln verdeutlichen, daß bei der Auslegung bildlicher Sprache dieselben fun-
    damentalen Prinzipien wie bei allen anderen Sprachen auch zur Anwendung kommen. Der
    Gebrauch von bildlicher Sprache zwingt keineswegs zu einer nichtwörtlichen Auslegung.
    Bildersprache erfordert dieselbe sorgfältige Exegese wie andere Sprachformen.
    ———-

    1 Horne, a.a.O., 1, 356-358.
    ———-
    Im HERRN JESUS CHRISTUS, der ist und der war und der kommt, der Allmächtige.
    ——————————————————

    Antonino.S
Lädt...
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