KAPITEL IV
DIE AUSLEGUNG VON PROPHETIE
I. Grundsätzliche Gedanken zur Prophetie
Für einen Studenten der Eschatologie ist die Frage, wie er die prophetischen Abschnitte
der Schrift zu interpretieren hat, von besonderer Wichtigkeit. Bevor wir uns nun über die
besonderen Regeln zur Auslegung von Prophetie Gedanken machen, tun wir gut daran,
einige grundsätzliche Beobachtungen zum Wesen prophetischer Sprache anzustellen.
a) Merkmale der Prophetie
Einige allgemeine Merkmale, die für prophetische Schriften charakteristisch sind, hat uns
Oehler hinterlassen. Er faßt sie wie folgt zusammen:
Die Charakteristika alttestamentlicher Prophetie sind:
(1) Der Prophet erhielt die Offenbarung durch Eingebung; die Zukunft erschien ihm
entweder unmittelbar gegenwärtig und vollendet, oder aber er sah alle Ereignisse als
fortschreitend, in der Entwicklung begriffen.
(2) Die Tatsache, daß der Inhalt der Prophetie durch Eingebung empfangen wurde,
war zugleich der Grund, warum die Erfüllung der Prophetie immer bei besonderen, in
sich abgeschlossenen Ereignissen empfunden wurde. So mochte z.B. ein Prophet das Ein-
treten seiner Prophezeiung bei einem einzigen, ganz bestimmten Ereignis für gegeben
halten, obwohl sich die Prophezeiung tatsächlich einmal, zweimal, dreimal oder viermal
erfüllt hat / erfüllen wird.
(3) Da die Prophezeiungen eine Vielzahl einzelner, unterschiedlicher Tatsachen behan-
deln, hat es manchmal den Anschein, als würden sich einige Vorhersagen widersprechen,
obwohl sie in Wirklichkeit nur unterschiedliche Seiten der gleichen Medaille darstellen,
die sich gegenseitig ergänzen. Denken wir z.B. an die gegensätzlichen Aussagen über den
leidenden und den verherrlichten Messias.
(4) Daß der Inhalt der Prophetie durch Eingebung empfangen wurde, hatte ferner zur
Folge, daß diese Eingebung auf der Ebene des Betrachters stattfand und von diesem ver-
standen werden konnte, was dazu führte, daß der Prophet mit Begriffen seines eigenen
Umfeldes, und seiner eigenen Erfahrung über die künftige Herrlichkeit sprach.1
Von Orelle ergänzt:
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1 Gustav Friedrich Oehler, Theology of the Old Testament, Seiten 488f1.
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(1) Prophetie kann sich entweder kurz nachdem sie empfangen wurde oder zu einem
viel späteren Zeitpunkt erfüllen.
(2) Prophetie ist an ethische Bedingungen geknüpft. So sind die Erfüllungen teilweise
von dem Verhalten der (Prophetie)-Empfänger abhängig. Prophetie kann sogar widerru-
fen werden.
(3) Prophetie kann sich nach und nach erfüllen.
(4) Wir dürfen nicht pedantisch darauf bestehen, daß sich die Prophetie genau so
erfüllt, wie sie gegeben wurde. (Orelle meint damit, daß wir den Kern der Vorhersage
von der Hülse seines zeitgenössischen Gewandes trennen müssen).
(5) Viele Prophetien, insbesondere die über Christus, haben sich wörtlich erfüllt.
(6) Form und Kennzeichen der Prophetie sind abhängig von Alter und Wohnort des
Autors.
(7) Prophetien bilden oft ein geschlossenes Ganzes, so daß Prophetie mit Prophetie
verglichen werden muß.
(8) Der Prophet sieht manchmal Dinge auf einmal, die in ihrer Erfüllung weit ausein-
ander liegen.1
b) Das zeitliche Element in der Prophetie
Es ist zu beobachten, daß das zeitliche Element in der Prophetie eine relativ geringe
Bedeutung hat. Angus und Green fassen diesen Sachverhalt zusammen:
Bei der prophetischen Sprache sollten - vor allem wenn sich diese auf die Zukunft bezieht
- folgende Punkte beachtet werden:
1. Die Propheten sprechen oft von zukünftigen Dingen, als wären sie schon gegen-
wärtig (Jes.9,6).
2. Sie sprechen von künftigen Dingen, als wären sie bereits Vergangenheit (Jes. 53).
3. Wenn die genaue Zeit von einzelnen Ereignissen nicht offenbart wurde, beschreiben
die Propheten diese als andauernd. Sie sehen die Zukunft eher räumlich als zeitlich, so
daß ihre Darstellungen oft (in zeitlicher Hinsicht) verkürzt erscheinen. Sie achten stärker
auf perspektivische Betrachtung als auf exakte Zeitspannen. Oft scheint es, als sprächen
sie so über die Zukunft, wie ein unkundiger Beobachter über den Sternenhimmel; sie
8ruppieren die Dinge gerade so, wie sie ihnen erscheinen, ohne diese an ihrem richtigen
Platz einzuordnen.2
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1 C.Von Orelli, "Prophecy, Prophets",: International Standard Bible Encyclopaedia, IV, 2459-66; zusammengefaßt durch Ramm, a.a.O., Seite 158.
2 Joseph Angus und Samuel G.Green, The Bible Hand-Book, Seite 245.
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c) Das Gesetz des doppelten Bezugs
Es gibt bei der Auslegung der prophetischen Schriften nur wenige Gesetze, die wichtiger
sind als das Gesetz des doppelten Bezugs. Diese Regel besagt, daß zwei Ereignisse in einer
Prophezeiung erwähnt werden können, obwohl sie, was die Zeit ihrer Erfüllung anbelangt,
weit auseinanderliegen. Diese zweifache Bedeutung findet sich dann, wenn der Prophet eine
Botschaft sowohl für die damalige als auch für eine zukünftige Zeit verkündete. Indem er
zwei weit auseinanderliegende Ereignisse in einer Prophezeiung erwähnte, konnte er zwei
unterschiedliche Empfängergruppen mit einer Prophezeiung erreichen.
Dazu Horne:
Prophezeiungen haben oft eine doppelte Bedeutung und beziehen sich auf verschiedene
Ereignisse, von denen z.B. das eine in der nahen und das andere in der fernen Zukunft
liegt, bzw. das eine weltlich und das andere geistlich oder ewig ist. Die Propheten haben
somit unterschiedliche Ereignisse vor Augen, wobei ihre Formulierungen teilweise auf
das eine und zum Teil auf das andere anwendbar sind. Oft ist es nicht leicht, hier richtig
zu unterscheiden. Was nicht durch das erste Ereignis erfüllt wurde, muß auf das zweite
bezogen werden. Was bereits in Erfüllung gegangen ist, kann man als kennzeichend für
das ansehen, was noch nicht geschehen ist.1
Es war die Absicht Gottes, einen Blick in die nahe und in die ferne Zukunft zu ermögli-
chen, um mit dem Eintritt des ersten Ereignisses die Gewähr für die Erfüllung des zweiten
zu geben.
Dies hebt Girdlestone hervor, wenn er sagt:
Und doch wurde noch eine weitere Vorkehrung getroffen, um die Menschen in ihrem
Glauben an Aussprüche, die sich auf die ferne Zukunft bezogen, zu bestärken. Oft war es
so, daß ein Prophet, der über solche künftige Dinge zu weissagen hatte, zugleich den
Auftrag bekam, Ereignisse vorherzusagen, die in Kürze geschehen würden. Das Eintreten
dieser Vorhersagen erlaubte es dann den Menschen, auch an die Aussprüche zu glauben,
die sich auf die fernere Zukunft bezogen. Die erste Prophezeiung war praktisch ein
"Zeichen" für die zweite; wenn sich die eine bewahrheitete, war auch die andere ver-
trauenswürdig. So half die Geburt Isaaks, die aufgrund der Umstände äußerst unwahr-
scheinlich war, Abraham zu glauben, daß in seinem Namen alle Geschlechter der Erde
gesegnet werden sollten.2
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1 Thomas Hartwell Horne, Introduction to the Critical Study and Knowledge of the Holy Scriptures, I, 390.
2 R.B. Girdlestone, The Grammar of Prophecy, Seite 21.
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d) Bedingte Prophetie
Allis legt dar, daß …eine Bedingung an einen Befehl oder eine Verheißung geknüpft sein
kann, ohne daß diese ausdrücklich erwähnt wird. Das wird an dem Beispiel Jonas illu-
striert.1
Aufgrund der Botschaft Jonas wird oft angenommen, daß mit jeder Prophezeiung ver-
borgene Bedingungen verknüpft seien, die als Basis für ein Abwenden der Erfüllung (bei
Jona: Abwenden des Gerichts A.d.U.) dienten. Horne meint zu dieser Behauptung:
Vorhersagen, die Gericht androhen, verkünden nicht ein unabänderliches, zukünftiges
Ereignis. Sie machen aber deutlich, was die Adressaten der Prophetie erwartet, was auch
sicher eintreten wird, wenn Gott nicht in Seiner Gnade zwischen die Drohung und ihre
Erfüllung tritt.2
Girdlestone befaßt sich ausführlich mit diesem Problem der bedingten Prophetie. Er meint:
Unter den Punkten, die sich mit dem Wesen und der Erfüllung der Prophetie befassen,
erfordern nur wenige so große Aufmerksamkeit wie der, daß einige Vorhersagen bedingt
sind, andere dagegen absolut. Viele Aussprüche der Schrift (z.B. 3.Mo.26: Segen und
Fluch) enthalten Entweder-Oder-Verheißungen....
Allerdings ist die Bedingtheit von Vorhersagen nicht immer klar in der Schrift zu
erkennen. So sollte Jona ausrufen, daß Ninive innerhalb von vierzig Tagen zerstört
werden würde. Die Menschen taten Buße wegen seiner Predigt, und Ninive wurde nicht
zerstört, obwohl, soweit wir wissen, ihnen nicht mitgeteilt wurde, daß sie nicht gerichtet
würden, wenn sie umkehrten.
Vorhersagen dieser Art sind so zahlreich, daß wir schlußfolgern, daß ihnen eine unaus-
gesprochene Bedingung zugrunde lag, die Gott berechtigte, von der wörtlichen Erfüllung
der prophetischen Aussprüche abzusehen. Was diese Bedingung war / ist, können wir aus
Kapiteln wie Jer. 18 und Hes.33 schließen. Nachdem Jeremia den Töpfer bei seiner Arbeit
beobachtet und die wichtige Lektion über die Souveränität Gottes gelernt hatte, wurde
ihm eine weitere Botschaft offenbart: 'Einmal rede ich über ein Volk und über ein
Königreich, es auszureißen und abzubrechen und zu zerstören; kehrt aber jenes Volk,
über welches ich geredet habe, von seiner Bosheit um, so lasse ich mich des Übels
sereuen, das ich ihm zu tun gedachte. Und ein anderes Mal rede ich über ein Volk und
über ein Königreich, es zu bauen und zu pflanzen; tut es aber, was böse ist in meinen
Augen, sodaß es auf meine Stimme nicht hört, so lasse ich mich des Guten gereuen, das
ich ihm zu erweisen gesagt hatte' (Jer.18,7-10). Aufgrund dieser Prinzipien sprach
Jeremia zu den Obersten, als die Priester und Propheten ihn umbringen lassen wollten:
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1 Oswald T. Allis, Prophecy and the Church, Seite 32.
2 Horne, a.a.0., I, 391.
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Jeremia aber redete zu den Fürsten und zu allem Volke und sprach: Der HERR har
mich gesandt, um wider dieses Haus und wider diese Stadt all die Worte zu weissagen,
welche ihr gehört habt. Und nun machet gut eure Wege und Handlungen und hört auf
die Stimme des HERRN, eures Gottes: so wird der HERR sich des Übels gereuen lassen,
welches er über euch geredet hat (Jer.26,12-13)!'
Wenn die Menschen ihrerseits zur Reue bereit wären, würde Gott es sich seinerseits
gereuen lassen. Aber auf welcher Grundlage? Auf der Grundlage der ursprünglichen,
wesentlichen und ewigen Eigenschaften der göttlichen Natur, sowie auf der Grundlage
der alten Verheißungen und Bundesschlüsse, die Gott ja wegen Seines Wesens mit den
Vätern geschlossen hatte.1
Girdlestone erkennt, daß gemäß Gottes universellem Handeln mit der Sünde und dem
Sünder, das in Prophezeiungen angedrohte Gericht abgewendet werden kann, wenn sich der
Sünder zu Gott wendet. Trotzdem meint er damit nicht, daß man auch in anderen Bereichen
der Prophetie auf Bedingungen schließen könne, selbst wenn dort keine gestellt werden. Er
verwahrt sich gegen diesen falschen Schluß, indem er ergänzt:
Soll das etwa heißen, da alle prophetischen Äußerungen an Bedingungen geknüpft sind?
Auf keinen Fall. Es gibt einiges, für das gilt: 'Geschworen hat der HERR, und es wird
ihn nicht gereuen' (Ps.110,4)..
Diese unwiderruflichen Verheißungen hängen nicht von der Redlichkeit der Menschen,
sondern von der Gottes ab. Ihre Erfüllung ist absolut sicher. Gleichwohl mag es Bedin-
gungen geben, was die Zeit und den Ort ihrer Erfüllung betrifft...
Zeiten und Zeitpunkte mögen sich ändern, Zeiträume sich verkürzen, Geschehnisse sich
schneller oder später ereignen, einzelne Personen und Nationen noch die Erfüllung einer
Verheißung erleben oder nicht; die Ereignisse als solche sind angeordnet und werden
sicher eintreffen. Sie sind versiegelt durch Gottes Eid, und ihr Eintreten wird von Ihm
selbst garantiert.2
Peters hat sich mit den Beziehungen zwischen den Aspekten bedingter und bedingungs-
loser Prophetie befaßt. Er kommentiert:
Die Prophezeiungen, die sich auf die Errichtung des Königreichs Gottes beziehen, sind
sowohl bedingt als auch bedingungslos.
Dieser Gegensatz meint ganz einfach, daß ihre Erfüllung an die vorhergehende Samm-
lung der Auserwählten geknüpft ist, was einen zeitlichen Aufschub bedingen kann .. daß
aber die Erfüllung als solche in jedem Fall erfolgen wird, unabhängig vom Verhalten
und Handeln der Menschen... Das Königreich selbst ist von Gott fest beabsichtigt, es ist
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1 Girdlestone, a.a.O., Seite 25ff.
2 Ebd.. Seiten 28ff
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Gegenstand heiliger Bundesschlüsse, es wurde durch einen feierlichen Eid bekräftigt, es
ist das ausersehene Ergebnis bzw. Ende des Erlösungsprozesses. Daher wird das Kö-
nigreich auf jeden Fall errichtet werden. Das Ererben dieses Königreiches ist allerdings
wieder von Bedingungen abhängig. Eine bestimmte Anzahl von Menschen, die nur Gott
kennt, wird es erben. Auf der anderen Seite setzt das Offenbarwerden des Reiches voraus,
daß diese Anzahl erreicht wird.....1
Es kann also geschlußfolgert werden, daß eine Prophezeiung, die von menschlichem
Handeln abhängig ist, bedingt sein kann, während sie nicht an Voraussetzungen geknüpft
sein kann, wenn sie von Gott abhängig ist, es sei denn, die Bedingungen werden klar
genannt. Prophezeiungen, denen unveränderliche Bundesschlüsse zugrunde liegen, lassen
nicht das Hinzufügen von Bedingungen zu. Hier gibt es keinen Grund, irgendeine Bedin-
gung für die Erfüllung der Prophezeiung anzunehmen.
II. Methoden prophetischer Offenbarung
Neben den direkten prophetischen Offenbarungen werden zukünftige Ereignisse auch
durch Typen, Symbole, Gleichnisse, Träume und prophetische Ekstasen offenbart. Da die
Auslegung dieser prophetischen Offenbarungsarten jeweils mit bestimmten Problemen
verbunden ist, muß man sich zunächst einzeln mit ihnen befassen, bevor man sich der
Auslegung der Prophetie im ganzen zuwendet.
Prophetie wird man nur verstehen können, wenn man auch die unterschiedlichen Kanäle
versteht, durch die sie erfolgt. Ein Student muß sich daher mit der prophetischen Sprache,
mit ihren Figuren, ihren Symbolen und auch mit ihren Methoden, sich mitzuteilen, vertraut
machen. Dazu Terry:
Eine gründliche Auslegung der prophetischen Abschnitte der Heiligen Schrift ist weitge-
hend von der Beherrschung der Prinzipien und Gesetze bildlicher, typologischer und
symbolischer Sprache abhängig. Daneben ist eine gewisse Kenntnis der Natur visionärer
Ekstasen und Träume erforderlich.2
a) Prophetische Offenbarung durch Typen
Terry gibt eine gute, kurze Definition des Begriffs "Typus". Er sagt:
In der theologischen Wissenschaft verdeutlicht der Typus in angemessener Weise eine
vorherbestimmte, kennzeichnende Beziehung, die bestimmte Personen, Ereignisse und
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1 George N.H.Peters, The Theocratic Kingdom, I, 176.
2 Milton R. Terry, Biblical Hermeneutics, Seite 405.
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Institutionen des Alten Testaments zu entsprechenden Personen, Ereignissen und Ein-
richtungen des Neuen Testaments haben.1
Dieser Grundsatz wird von Angus und Green erweitert, die insbesondere auf folgende
Punkte hinweisen:
1. Der "Antitypus" (das Gegenbild), der symbolisiert wird, ist die ideelle oder geistli-
che Realität, die dem Typus entspricht, aber zugleich über ihn hinausgeht.
2. Der Typus mag durchaus seine eigene Bedeutung haben, unabhängig von der des
Antitypus, welchen er vorbildet. So wurden die Israeliten durch den Blick auf die eherne
Schlange geheilt, die ja daneben eine viel größere Errettung symbolisieren sollte.
3. Daraus folgt, daß die eigentliche Bedeutung eines Typus in der damaligen Zeit
unverstanden geblieben sein mag.
4. Wie für Bilder im allgemeinen, so gilt auch für Typen, daß das Wesentliche eines
Typus von seinen Beiwerk zu unterscheiden ist.
5. Die einzige, sichere Autorität für die Anwendung von Typen ist in der Schrift zu
finden. Ein bloßes Empfinden für Analogien genügt nicht. So haben Ausleger oft Bezie-
hungen vermutet, wo diese de facto nicht existierten oder aber, wenn es sie gab, es nicht
möglich war, eine besondere göttliche Absicht zur typologischen Darstellung zu erkennen...
Um es mit den Worten von Marsh zu sagen: 'Will man eine Sache zum Typus einer
anderen erklären - denn so wird dieser Begriff im allgemeinen mit bezug auf die Schrift
verstanden - ist dazu etwas mehr notwendig als bloße Ähnlichkeit. Der Typus muß dem
Gegentypus nicht nur ähnlich sein, er muß vielmehr entworfen worden sein, um ihm zu
entsprechen. Dies muß bei seiner ursprünglichen Einführung geschehen sein. Sein
Entwurf muß dazu dienen, den Antitypus vorzubereiten. Beide müssen als wesentliche
Bestandteile desselben allumfassenden Plans der göttlichen Vorsehung zum Typus bzw.
Gegentypus bestimmt sein. Es ist dieser vorausgehende Entwurf und diese vorherbe-
stimmte Verbindung, die die Beziehung zwischen Typus und Gegentypus herstellen.2
Fritsch liefert nicht nur eine saubere Definition des Typus, sondern darüber hinaus auch
eine hilfreiche Unterscheidung zwischen Typus und Allegorie:
Ich schlage für "Typus'' im theologischen Sinn folgende Definition vor: Ein Typus ist eine
Institution, ein historisches Ereignis oder eine historische Person, welche(s) durch Gottes
Anordnung eine bestimmte Wahrheit des christlichen Glaubens vorbildet ..
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1 Ebd., Seite 336.
2 Angus-Green, a.a.O., Seiten 225-226
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Indem wir den Typus als Institution, historisches Ereignis oder als Person definieren,
betonen wir erstens die Tatsache, daß der Typus auch für sich selbst betrachtet, bedeu-
tungsvoll und wirklich sein muß....
In dieser Hinsicht unterscheidet sich ein Typus von einer Allegorie. ... Denn eine
Allegorie ist eine fiktive Erzählung, oder, um es nicht ganz so unverblümt auszudrücken,
bei einer Allegorie mag man die geschilderten Begebenheiten als historisch wahr akzep-
tieren oder nicht, während bei der Typologie der Gegentypus nur im Licht des ursprung-
lichen, wirklichen Typus (als solcher) verstanden werden kann.
Zum zweiten muß es eine göttlich beabsichtigte Verbindung zwischen Typus und
Gegentypus geben. Dazu Westcott: 'Ein Typus setzt voraus, daß die Geschichte zielge-
richtet abläuft und sich dieses Ziel im Lauf der Zeit immer mehr entfaltet. Eine Allegorie
gründet sich letztlich auf die Vorstellungskraft ..
Drittens ist der Typus nicht nur für sich selbst wirklich und gültig, sondern auch wirk-
sam in seiner eigenen unmittelbaren Umgebung. Er kann den Gegentypus nur daher
wirkungsvoll vorbilden, weil er zumindest zum Teil bereits die Wirksamkeit und Kraft in
sich trägt, die dann vollkommen im Gegentypus zur Geltung kommen wird.
Viertens ist es die wichtigste Eigenschaft des Typus - wie bereits zuvor erwähnt =, daß
er Wahrheiten vorbildet, die in Verbindung mit dem christlichen Glauben oder mit
Christus selbst stehen...
Typologie unterscheidet sich von der Prophetie im eigentlichen Sinn dieses Wortes nur
durch die Methoden der Vorhersage. Prophetie geschieht hauptsächlich durch Worte,
während sich typologische Vorhersagen an Institutionen, Ereignisse oder Personen knüp-
fen.
Es ist äußerst wichtig .. zwischen Typus und Allegorie zu unterscheiden. In der Kirche
der ersten Jahrhunderte hatte die allegorische Auslegungsmethode die wahre Bedeutung
des Alten Testamentes in einem solchen Ausmaß verdunkelt, daß eine wohlbegründete
Typologie nicht mehr existieren konnte. Diese Methode ignorierte völlig den wörtlichen
und historischen Sinn der Schrift. Jedes Wort und jedes Ereignis wurde allegorisch
gedeutet, um so entweder theologischen Schwierigkeiten aus dem Weg gehen oder aber
ganz besondere religiöse Ansichten aufrechterhalten zu können....1
Zweifellos war es das Außerachtlassen der oben erwähnten Unterschiede, das einige zu
der Ansicht verleitete, die allegorische Methode der Schriftauslegung sei dadurch gerecht-
fertigt, daß in der Schrift Typen angewendet würden.
Fairbairn macht dieselbe Beobachtung:
Wenn wir eine Prophezeiung auslegen, der eine zweifache Bedeutung zugeschrieben wird,
von denen sich die eine auf die jüdische, die andere auf die christliche Heilszeit (Haus-
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1 Charles T. Fritsch, Biblical Typology" Bibliotheca Sacra, 104:214, April, 1947.
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haltung) bezieht, müssen wir uns in beiden Fällen um die Auslegung der Wörter bemi.
hen. Denn die gleichen Wörter werden ja entsprechend der einen Auslegung auf ein
Ereignis und nach einer weiteren Auslegung auf ein anderes Ereignis angewendet. Bei
der Auslegung einer Allegorie dagegen sind wir nur einmal an einer Auslegung der
Wörter interessiert, der zweite Sinn - gemeinhin der allegorische genannt - ist dagegen
eine Auslegung von Dingen. Die Auslegung der Wörter liefert nicht mehr als den klaren,
einfachen Sinn der Erzählung - Allegorien nehmen gewöhnlich die Form einer Erzählung
an - während man die Moral einer Allegorie erhält, indem man die Dinge, die diese
Wörter symbolisieren, auf andere, ähnliche Dinge, auf die hingewiesen werden soll, über-
trägt. Es gibt also einen fundamentalen Unterschied zwischen der Auslegung einer
Allegorie und der Auslegung einer Prophetie mit zweifacher Bedeutung.1
Es liegt in der Natur der Sache, daß ein Typus im wesentlichen prophetischen Charakter
hat. Fairbairn, der dies beobachtet hat, weist wie folgt darauf hin:
Ein Typus besitzt, wie bereits erklärt, notwendig einen gewissen prophetischen Charakter.
Er unterscheidet sich mehr seiner Form als seinem Wesen nach von dem, was gewöhn-
lich als Prophetie bezeichnet wird. Der Typus liefert ein Vorbild der kommenden Wirk-
lichkeit, während die Prophetie sie vorhersagt. In einem Fall dienen repräsentative
Handlungen oder Symbole, im anderen Fall wörtliche Schilderungen zur vorherigen
Anzeige dessen, was nach Gottes Plan Seinem Volk zukünftig geschehen wird. Typus und
Prophetie unterscheiden sich somit nicht in ihrem grundsätzlichen Wesen....2
Wenn wir Prophezeiungen auslegen, die durch Typen offenbart wurden, müssen wir die
gleichen, gesunden hermeneutischen Grundsätze beachten, die schon weiter oben dargelegt
wurden. Angus und Green fassen dies angemessen zusammen:
Bei der Auslegung all dieser Typen und bei der Auslegung von geschichtlichen Ereignis-
sen mit all ihren abgeleiteten, geistlichen Anspielungen kommen dieselben Regeln zur
Anwendung, wie bei der Auslegung von Gleichnissen und Allegorien: Vergleiche das
geschichtliche Ereignis bzw. den Typus mit der gemeinsamen Wahrheit, die sowohl dem
Typus als auch dem Gegentypus innewohnt. Erwarte dabei Übereinstimmung in einigen,
aber nicht in allen Einzelheiten. Die Auslegung dieser Einzelheiten muß mit dem Ganzen
und mit der göttlichen Lehre, so wie sie in anderen Abschnitten der Heiligen Schrift
deutlich offenbart ist, harmonieren.
Wenn man diese Regeln anwendet, ist es wichtig zu bedenken, daß die inspirierten
Schreiber niemals den historischen Sinn der Schrift zunichte machten, um stattdessen
einen spirituellen Sinn einzusetzen. Ferner suchten sie nie nach einer verborgenen Bedeu-
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1 Patrick Fairbairn, The Typology of Scripture, Seiten 131-132.
2 Ebd., Seite 106.
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tung der Wörter. Sie hielten lediglich an verborgenen Bedeutungen von Fakten eines
Abschnitts fest, wenn diese einfach, natürlich und schriftgemäß waren. Sie beschränkten
sich dabei auf Auslegungen, die Wahrheiten von praktischer und geistlicher Bedeutung
illustrierten.1
b) Prophetische Offenbarung durch Symbole
Eine zweite Methode prophetischer Offenbarung ist der Gebrauch von Symbolen. Ramm
nennt sechs mögliche - allgemein anerkannte - Arten von Symbolen, die prophetischen
Charakter haben können: (1) Personen, (2) Institutionen, (3) Ämter, (4) Ereignisse, (5)
Taten und 6. Dinge.2
Bahr führt folgende Regeln als Leitlinien für die Auslegung solcher Symbole an:
1. Um die Bedeutung eines Symbols zu bestimmen, ist zunächst eine sorgfältige Kennt-
nis von dessen Natur unerläßlich.
2. Die Symbole des mosaischen Kultus haben im allgemeinen nur solche Bedeutungen,
die mit den religiösen Gedanken und Wahrheiten des mosaischen Gesetzes und dessen
klar zum Ausdruck gebrachten und bestätigten Prinzipien übereinstimmen.
3. Sucht man die Bedeutung eines einzelnen Symbols, muß man zunächst einmal von
dessen Namen ausgehen.
4. Jedes Symbol hat im allgemeinen nur eine Bedeutung.
5. Jedes Symbol behält seine ursprüngliche Bedeutung, in welchen Zusammenhang es
auch immer auftreten mag.
6. Bei jedem Symbol - sei es nun eine Sache oder eine Tat - muß der Hauptgedanke,
der symbolisiert werden soll, sorgfältig von dem Beiwerk unterschieden werden, welches
notwendig zu dessen angemessener Darstellung gehört, aber nur von untergeordneter
Bedeutung ist.3
Terry nennt drei grundlegende Prinzipien für den rechten Umgang mit Symbolen. Er
schreibt:
....wir akzeptieren drei fundamentale Prinzipien symbolischer Darstellung wie folgt:
(1) Die Namen der Symbole sind wörtlich zu verstehen;
(2) Die Symbole bezeichnen stets etwas, was sich von ihnen selbst deutlich unterschei-
det; und
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1 Angus-Green, a.a.O., Seite 227.
2 Bernard Ramm, Protestant Biblical Interpretation, Seite 147.
3 Zit. von Terry, a.a.O., Seiten 357-358.
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(3) Es gib eine gewisse Ähnlichkeit - mehr oder weniger deutlich - zwischen Symbol
und zu symbolisierendem Gegenstand.
Die entscheidende Frage, die sich der Ausleger von Symbolen stellen muß, sollte daher
lauten: Wo liegen am eindeutigsten die Punkte, bei denen sich dieses Zeichen und das,
was symbolisiert werden soll, ähnlich sind? Jedem nachdenklichen Geist dürfte klar sein,
daß man für die Beantwortung dieser Frage keine minuziösen, starren Regeln, die man
etwa bei allen Symbolen zur Anwendung bringen könnte, erwarten darf...
Grundsätzlich kann man aber sagen, daß der Ausleger bei der Beantwortung obiger
Frage streng auf folgende Punkte achten muß:
(1) auf den historischen Standpunkt des Schreibers oder Propheten,
(2) auf den Kontext und
(3) auf die Analogie zu bzw. die Bedeutung von ähnlichen Symbolen oder Figuren, die
an anderen Stellen verwendet werden. Man hat zweifellos die richtige Auslegung eines
Symbols gefunden, wenn der so ermittelte Sinn diesen Punkten völlig gerecht wird und
wenn man nicht versucht, mutmaßliche Ähnlichkeiten zu betonen, welche nicht klar durch
Fakten, vernünftige Begründungen oder Analogien zu rechtfertigen sind.1
Sicherlich kann das, was bisher zu der Auslegung von Symbolen im allgemeinen gesagt
wurde, auch auf die Auslegung von prophetischen Symbolen angewendet werden. Terry
indes liefert noch eine Ergänzung für dieses besondere Feld symbolischer Darstellung:
Bei der Auslegung von Prophezeiungen dieser Art ist es daher von allergrößter Bedeu-
tung, die hermeneutischen Prinzipien für biblisch symbolische Darstellung mit Einsicht
und Geschick anzuwenden. Dies erfordert insbesondere dreierlei:
(1) daß wir in der Lage sind, klar zu unterscheiden und zu bestimmen, was Symbole
sind und was nicht;
(2) daß die Symbole vor allem in ihren klaren, auffallenden Aspekten und weniger in
ihren zufälligen Ahnlichkeiten erwogen werden;
(3) daß wir sie hinsichtlich ihrer grundsätzlichen Bedeutung und ihrer Anwendung aus-
führlich vergleichen, damit wir bei ihrer Auslegung eine einheitliche und konsequente
Linie verfolgen können.
Wenn wir den ersten Punkt außer acht lassen, wird dies zu einem völligen Durchein-
ander zwischen symbolischer und wörtlicher Auslegung führen. Bei Nichtbeachtung des
zweiten Punktes werden wir dazu tendieren, kleine, unwichtige Dinge zu stark hervor-
zuheben und die eigentlichen Lektionen zu verdunkeln. Es wird zu häufigen Mißverständ-
nissen des Kontextes und der Bedeutung des Ganzen kommen....
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1 Terry, a.a.O., Seiten 356-357.
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Wenn wir die dritte Regel sorgfältig erwägen, werden wir bei ähnlichen Symbolen
sowohl Unterschiede als auch Entsprechungen feststellen..1
Es gibt eine Tatsache, die viele Studenten der prophetischen Auslegung offensichtlich
übersehen haben, und zwar die Regel, daß die Schrift ihre eigenen Symbole auslegt. Dazu
Feinberg:
....einige Prophezeiungen werden uns durch symbolische Sprache übermittelt. Aber immer
dann, wenn das der Fall ist, werden die Symbole im unmittelbaren Kontext, in dem
betreffenden Buch oder an einer anderen Stelle im Wort erklärt, so daß kein Raum mehr
bleibt für phantasievolle Erklärungsversuche des Menschen.2
Dieselbe Tatsache wird von Girdlestone aufgezeigt:
Die gesamte Offenbarung enthält kaum eine Figur oder eine Vision, die sich nicht im
Ansatz schon bei Jesaja, Hesekiel, Daniel oder Sacharja findet. Wahrscheinlich wurde
der Seher durch das Studium dieser Bücher im Alter auf die Visionen vorbereitet, die es
mit der nahen und fernen Zukunft zu tun haben.3
Da dies zutrifft, ist Fleiß und Sorgfalt beim Erforschen der Schrift der Preis, den man für
eine exakte Exegese der symbolischen Schriftabschnitte zu zahlen bereit sein muß.
c) Prophetische Offenbarung durch Gleichnisse
Eine dritte Methode zukünftige Ereignisse zu offenbaren, ist der Gebrauch von belehren-
den Gleichnissen. Nach Angus und Green bezeichnet man mit einem Gleichnis eine Erzäh-
lung, die entworfen wurde, um eine wichtige Wahrheit zu übermitteln....4 Der HERR ge-
brauchte diese Methode sehr oft für prophetische Offenbarungen. Daher ist die Auslegung
von Gleichnissen von äußerster Wichtigkeit.
Ramm nennt in prägnanter Form die Regeln für die Auslegung von Gleichnissen:
(1) Bestimme den spezifischen Charakter sowie die Einzelheiten von Gewohnheiten,
Bräuchen und Dingen, die den natürlichen Teil (die Sachhälfte) des Gleichnisses bilden,
detailliert.
(2) Bestimme die eine zentrale Wahrheit, die das Gleichnis lehren will.
(3) Bestimme, inwieweit das Gleichnis durch den HERRN selbst ausgelegt wird.
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1 Ebd., Seite 415.
2 Charles L. Feinberg, Premillennialism or Amillennialism, Seite 37.
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(4) Bestimme, ob der Kontext irgendeinen Schlüssel zum Verständnis des Gleichnisses
enthält.
(5) Laß ein Gleichnis nicht auf allen vieren gehen...
(6) Sei vorsichtig mit der lehrmäßigen Anwendung von Gleichnissen...
(7) Für eine richtige Auslegung ist meist das klare Erkennen der Zeitperioden, für
welche die Gleichnisse gelten sollen, notwendig.1
Angus und Green legen das Hauptaugenmerk auf die bei der Auslegung erforderliche
Übereinstimmung. Sie schreiben:
Die erste Auslegungsregel lautet: Stelle fest, worum es überhaupt geht, indem du
entweder den Kontext oder Parallelstellen hinzuziehst. Ergreife die eine Wahrheit, die
das Gleichnis darlegen will. Unterscheide sie von allen angrenzenden Wahrheiten. Sorge
dafür, daß die Abschnitte des Gleichnisses so erklärt werden, daß sie mit dieser einen
Wahrheit übereinstimmen...
Jede Auslegung eines Gleichnisses oder einer Allegorie, die nicht mit der entscheidenden
Wahrheit, die darin enthalten ist, übereinstimmt, ist abzulehnen.
...von den inspirierten Auslegungen von Gleichnissen, die wir in der Schrift finden,
können wir lernen, daß Extreme zu vermeiden sind. Wir sollten weder darauf bestehen,
jedem Satzteil eine Doppelbedeutung beizulegen, noch meinen, allein das Gleichnis als
Ganzes könne einen doppelten Sinn haben.
Zweite Regel der Auslegung: Selbst wenn der Zielgedanke eines Gleichnisses oder
eines Typus mit bestimmten Lehraussagen übereinstimmt, darf man aus keinem ihrer
Teile Schlüsse ziehen, die anderen klaren Offenbarungen der göttlichen Wahrheit wider-
sprechen...
Dritte Auslegungsregel: Es ist wichtig, daß sich Lehren, die man aus der Schrift zieht,
niemals in erster Linie oder allein auf Gleichnisse stützen. Umgekehrt ist es aber mög-
lich, daß Lehraussagen, die durch andere Bibelstellen klar untermauert werden, darüber
hinaus durch Gleichnisse illustriert und bekräftigt werden. Wir sollten uns jedoch davor
hüten, Lehren ausschließlich oder in erster Linie aus ihrer symbolischen Darstellung zu
ziehen....2
Wenn wir uns mit Gleichnissen befassen, ist es von außerordentlicher Wichtigkeit, daß
wir Wesentliches von Unwesentlichem trennen. Geschieht dies nicht, wird möglicherweise
falsch betont und geschlußfolgert.
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1 Ramm, a.a.O., Seiten 179ff.
2 Angus-Green, a.a.O., Seiten 230-233.
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Horne hat ein sorgfältig ausgearbeitetes Regelwerk als Richtlinie für die Auslegung von
Gleichnissen aufgestellt:
1. Der größte Vorzug eines Gleichnisses liegt darin, daß es ein sehr bekanntes Bild
zum Gegenstand hat, dessen Bedeutung klar und sicher ist und das sich gut anwenden
läßt. Diesem Umstand verdanken Gleichnisse ihre Deutlichkeit, die auch für alle Arten
von Allegorien unentbehrlich ist.
2. Das Bild muß nun nicht allein geeignet und gebräuchlich sein, es sollte vielmehr
auch für sich genommen Eleganz und Schönheit ausstrahlen; ferner müssen alle Teile des
Bildes klar und passend sein, da es nicht nur die Absicht eines Gleichnisses und ins-
besondere eines poetischen Gleichnisses ist, eine Lehre etwas besser zu erklären, sondern
es häufiger noch, ihr Leben und Glanz verleihen will.
3. Jedes Gleichnis setzt sich aus drei Teilen zusammen: (1) Das erkennbare Bild ... die
Rinde….. (2) Die Erklärung oder die sinnbildliche Bedeutung.. der Saft oder die
Frucht... (3) Die Wurzel oder der Zielgedanke, auf den das Gleichnis ausgerichtet ist.
4. Um ein Gleichnis richtig erklären und anwenden zu können, muß man zunächst sein
allgemeines Umfeld sowie seinen Zielgedanken erkennen.
5. Wo immer es scheint, als ließen die Worte Jesu unterschiedliche Bedeutungen zu,
können wir mit Sicherheit schließen, daß der richtige Sinn der ist, welcher dem Verständ-
nis seiner damaligen Hörer am nächsten kommt.
6. Jedes Gleichnis hat zwei Bedeutungen, eine wörtliche oder äußerliche und eine
sinnbildliche oder innerliche. Dabei sollte die äußerliche Bedeutung zuerst erklärt
werden, damit der Zusammenhang zwischen ihr und der symbolischen Bedeutung leichter
erkennbar wird.
7. Bei der Auslegung von Gleichnissen ist es nicht nötig, eifrig jedem einzelnen Wort
einen Sinn beizulegen. Auch sollten wir nicht gespannt erwarten, daß jeder Abschnitt eine
Anwendung im Sinn der geistlichen Bedeutung, die durch das Gleichnis eingeschärft
werden soll, zuläßt. Denn vieles, was sich in Gleichnissen findet, ist lediglich schmücken-
des Beiwerk, das man benutzt, um das Bild gefälliger und interessanter zu machen.
8. Bei der Auslegung von Gleichnissen ist es sehr wertvoll, sowohl den historischen
Umständen als auch dem Wesen und den Eigenschaften der Dinge, welcher sich das
Gleichnis bedient, genügend Aufmerksamkeit zu widmen.
9. Obwohl Jesus Christus in vielen Seiner Gleichnisse etwas über den künftigen
Zustand der Gemeinde sagt, so wollte Er doch auch Seinen damaligen Zuhörern wichtige
moralische Lehren übermitteln. Dies dürfen wir bei der Auslegung von Gleichnissen
niemals aus den Augen verlieren.1
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1 Horne, a.a.O., I, 366-368.
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d) Prophetische Offenbarung durch Träume und Ekstasen
Die frühen prophetischen Offenbarungen wurden häufig durch Träume oder während
eines ekstatischen Entrückungszustandes vermittelt. Terry schreibt zu dieser Phase prophe-
tischer Offenbarung:
Es werden Träume, nächtliche Visionen und Zustände spiritueller Ekstase erwähnt, durch
welche Menschen solche Offenbarungen empfingen. In 4.Mose 12,6 heißt es: 'Und er
sprach: Hört doch meine Worte! Wenn ein Prophet des Herrn unter euch ist, dem will
ich mich in einem Gesicht zu erkennen geben, im Traum will ich mit ihm reden.' (Rev.El-
bert).
Es fällt auf, daß göttliche Offenbarungen in früherer Zeit häufig durch Träume gewährt
wurden, während Träume in späteren Zeiten eine geringere Rolle spielten. Die bemer-
kenswertesten Beispiele für Träume in der Schrift finden sich in: 1.Mo.20,3-7 (Abime-
lechs Traum), 1.Mo.28,12 (Jakob in Bethel), I.Mo.31,24 (Laban im Gebirge Gilead),
I.Mo.37,5-10 (Josephs Träume über Garben und Gestirne), Ri.7,13-15 (Traum des
Mideaniters), 1.Kö.3,5; 9,2 (Salomo), Dan.2 und 4 (Nebukadnezar), Dan.7,1 (Daniel),
Mt.1,20; 2,13.19 (Joseph), Mt.2,12 (die Magier aus dem Osten). Es scheint, als hätten
sich die 'nächtlichen Gesichte' im wesentlichen nicht von den Träumen unterschieden
(vgl. Dan.2,19; 7,1; Apg. 16,9; 18,9; 27,23).
Wir sagten bereits, daß Träume eher eine frühe, niedrigere Art göttlicher Offenbarung
waren. Eine höhere Form war die prophetische Ekstase, bei welcher der Geist des Sehers
vom Geist Gottes ergriffen wurde. Dabei wurde er - obwohl er sein menschliches Be-
wußtsein beibehielt und für menschliche Empfindungen empfänglich blieb - hinweg-
gerissen zu Visionen des Allmächtigen und über Worte sowie Dinge unterrichtet, die
normalerweise kein Sterblicher wahrnehmen kann.
Offensichtlich war die prophetische Ekstase .. eine Art spirituelle Besichtigung, eine
übernatürliche Erleuchtung, bei der das natürliche Auge entweder geschlossen ... oder
seiner gewöhnlichen Funktionen enthoben war und die inneren Sinne deutlich die
dargestellte Szene bzw. das geoffenbarte, göttliche Wort erfaßten.
Die Auslegung von Prophezeiungen, die durch Träume oder prophetische Ekstasen
empfangen wurden, bringt keine besonderen Schwierigkeiten mit sich. Auch wenn eine
solche Vermittlung von Prophezeiungen einzigartig gewesen sein mag, so unterschied sich
die Prophezeiung an sich nicht von anderen, die in klarer Sprache gegeben wurden. Die
Methoden zur Übermittlung von Offenbarungen variierten, die dabei verwendeten Wörter
lassen sich aber ohne zusätzliche Probleme auslegen.1
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1 Terry, a.a.0., Seiten 396-397.
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III. Regeln für die Auslegung von Prophetie
Der letzte Abschnitt befaßte sich mit Schwierigkeiten, welche die Auslegung von Prophe-
zeiungen wegen der Verwendung unterschiedlicher Sprachformen bereitet. Im folgenden
wird es um die grundlegenden Prinzipien der Auslegung von Prophetie gehen. Diese
kommen zur Anwendung, nachdem man das Prophezeite klar verstanden hat.
Wie auf allen anderen Gebieten der Auslegung, so müssen auch bei der Auslegung von
Prophetie die Wörter, der Kontext, die Grammatik und die historischen Situationen sorgfäl-
tig erwogen werden. Dazu Terry:
...Obwohl die Besonderheiten der Prophetie angemessen zu würdigen sind, muß man bei
ihrer Auslegung dennoch die gleichen wichtigen Prinzipien wie bei der Auslegung
anderer Schriften des Altertums anwenden. Zunächst sollten wir uns über die historische
Situation des Propheten klarwerden, dann über das Thema und die Absicht seines
Buches, über Gebrauch und Bedeutung seiner Wörter und Symbole, und schließlich ist
ein ausführlicher, exakter Vergleich mit den Parallelstellen erforderlich.1
Es gibt keinen Mangel an Regeln, welche über die rechte Auslegung von Prophetie beleh-
ren2. Ramm schlägt folgende vor, die möglicherweise die hilfreichsten sind:
(1) Ermittle den historischen Hintergrund der Prophezeiung des Propheten.
(2) Ermittle die volle Bedeutung aller Eigennamen, Ereignisse, geographischen An-
gaben, aller Hinweise zu Gewohnheiten, zur Kultur sowie zur Flora und Fauna.
(3) Ermittle, ob der Abschnitt eine Vorhersage oder eine Lehre enthält.
(4) Wenn er eine Vorhersage enthält, ermittle, ob diese erfüllt, noch unerfüllt oder an
eine Bedingung geknüpft ist.
(5) Ermittle, ob das gleiche Thema oder der gleiche Gedanke noch an anderen Stellen
behandelt wird.
(6) Behalte den Gedankenfluß eines Abschnitts stets lebhaft im Gedächtnis, d.h. beachte
den Kontext.
(7) Stelle fest, welche Abschnitte einer Prophezeiung ausschließlich örtliche oder
zeitliche Bedeutung haben.
(8) Benutze die wörtliche Auslegung als begrenzende Richtschnur bei der Auslegung
von Prophezeiungen.
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1 Ebd., Seite 418.
2 Cf. Ramm, a.a.O., Seiten 157-162, Zusammenfassung der Regeln verschiedener Autoren von Hermeneutik.
3 Ramm, a.a.O., Seiten 163-173.3
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a) Lege wörtlich aus
Wahrscheinlich ist die wichtigste Überlegung bei der Auslegung von Prophetie, daß man
diese, wie alle anderen biblischen Texte auch, wörtlich auslegen muß, Wenn sich auch die
Formen unterscheiden, durch welche prophetische Offenbarungen vermittelt werden, so
wird doch durch jede Form eine buchstäbliche Wahrheit offenbart. Es ist nun die Aufgabe
des Auslegers, diese Wahrheit herauszufinden. Davidson bekräftigt dies:
Ich halte es für das erste Prinzip der Auslegung von Prophetie, den Propheten wörtlich
zu lesen, davon auszugehen, daß der Prophet die wörtliche Bedeutung im Sinn hatte, daß
er sich im wirklichen Leben und nicht unter Symbolen bewegte, daß er sich mit konkreten
Situationen, Dingen und Menschen und nicht mit abstrakten Begriffen wie "unsere''
Kirche, Welt usw. befaßte.1
Fast ausnahmslos wird eine nicht-wörtliche Auslegungsmethode dann angewendet, wenn
man den offensichtlichen Gedanken eines Abschnittes umgehen will. Anstatt die eigenen
Lehrmeinungen in Übereinstimmung mit der Schrift zu bringen, bedient man sich dieser
Auslegungsmethoden, um die Lehren der Schrift dem eigenen, bevorzugten Lehrgebäude
anzupassen.2
Zweifellos erfährt die wörtliche Methode der Auslegung von Prophetie ihre größte
Bestätigung dann, wenn man untersucht, wie Gott die Prophezeiungen erfüllt hat, deren
Erfüllung schon eingetreten ist. Dazu Masselink:
Wir können daher unsere Auslegungsmethode für die noch nicht erfüllten Prophezeiungen
von den schon erfüllten ableiten, weil wir imstande sind, die Richtlinien zur Auslegung
unerfüllter Prophetie von erfüllten Vorhersagen herzuleiten, über die das Neue Testament
berichtet.3
Wir leben in der Zeit und unterscheiden somit erfüllte und unerfüllte Prophetie. Von
Gottes Standpunkt ist die Prophetie eine Einheit und durch die Zeit nicht zu zerteilen. Da
sie eine unteilbare Einheit ist, werden die Methoden, die bisher zur Erfüllung von Prophe-
zeiungen führten, auch die noch unerfüllten Prophezeiungen zur Erfüllung bringen. Was
nun die schon erfüllte Prophetie betrifft, so gibt es hier keine Prophezeiung, die sich anders
als wörtlich erfüllt hätte. Das Neue Testament kennt keine andere Methode zur Erfüllung
des Alten Testaments. Auf diese Weise hat Gott, das Ihm eigene Prinzip auf eine feste
Grundlage gestellt. Feinberg sagt:
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1 A.B.Davidson, Old Testament Prophecy, Seite 167.
2 Vgl. Angus-Green, a.a.O., Seiten 247-248.
3 William Masselink, Why Thousand Years?, Seite 36.
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....bei der Auslegung von unerfüllten Prophezeiungen müssen die erfüllten Prophezei-
ungen als Muster dienen. Man muß sich vergewissern, wie Gott in der Vergangenheit
Prophezeiungen erfüllt hat. Dies ist der einzige Weg, um zu erkennen, wie Er dies künftig
tun wird. Alle Prophezeiungen über den leidenden Messias erfüllten sich wörtlich beim
ersten Kommen Christi. Wir haben keinen Grund anzunehmen, daß sich die Vorhersagen
über den verherrlichten und herrschenden Messias auf andere Weise erfüllen.1
Wir müssen schlußfolgern, daß die wörtliche Erfüllung, von der das Neue Testament
berichtet, die wörtliche Methode als Gottes Methode auch im Hinblick auf die noch
unerfüllten Prophezeiungen begründet.
b) Lege in Übereinstimmung zu den gesamten prophetischen Schriften aus
Die zweite Regel finden wir in 2.Petr.1,20-21, wo der Autor hervorhebt, "daß keine
Weissagung der Schrift aus eigener Deutung geschieht (eigenmächtig ausgelegt werden dart
- Einh)". Prophezeiungen müssen in Übereinstimmung mit gesamten prophetischen Heils-
plan der Schrift ausgelegt werden. Dazu Feinberg:
Es gibt einige wohldefinierte Gesetze für die Auslegung von Prophezeiungen. Die Schrift
selbst nennt das allererste und wichtigste. Petrus schreibt in seinem zweiten Brief, 'daß
keine Weissagung der Schrift eine Sache eigener Auslegung ist (Luther)'. Damit ist nicht
gemeint, daß man Prophetie nicht als Einzelner (als Laie) auslegen könne. Der Apostel
will vielmehr sagen, daß man keine Prophezeiung der Schrift völlig isoliert betrachten
darf, sondern sie in Beziehung zu anderen prophetischen Offenbarungen setzen und in
diesem Gesamtzusammenhang erwägen muß. Jede Offenbarung ist Teil eines wunder-
baren Offenbarungsplans. Man muß daher diesen gesamten prophetischen Plan sowie die
wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Offenbarungen untereinander bedenken, wenn
man die wahre Bedeutung einer Prophezeiung erfassen will.2
Dies erfordert ein sorgfältiges Studium sowohl der grundsätzlichen prophetischen Themen
ausgewogenen Urteil zu gelangen, denn oft wirft eine Vorhersage Licht auf eine andere.
C) Beachte den Blickwinkel einer Prophezeiung
Ereignisse, die in einer gewissen Beziehung zueinander stehen und Teil eines gemein-
samen Plans sind, oder aber typologisch für andere Ereignisse verwendet werden und
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1 Feinberg, a.a.O., Seite 39.
2 Ebd.. Seite 37.
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insofern eine doppelte Bedeutung haben, können zusammen in einer Prophezeiung erwähnt
werden, obwohl der Zeitpunkt ihrer Erfüllung weit auseinander liegt. Feinberg stellt fest:
"…bei der Auslegung von Prophezeiungen ... muß man genau auf deren Perspektive
achten. Verschiedene Ereignisse der Zukunft fallen in einer Vision (oft) zusammen in
einen begrenzten Zeitraum, obwohl sie in Wirklichkeit weiter auseinander liegen. Dies
gilt insbesondere für die Vorhersagen der sogenannten großen Propheten, die scheinbar
wahllos Prophezeiungen zusammengruppieren, die die babylonische Gefangenschaft, die
Ereignisse am Tag des HERRN, die Rückkehr aus Babylon, die weltweite Zerstreuung
Israels und seine zukünftige Sammlung von allen Enden der Erde betreffen."1
Sobald man dieses Pinzip außeracht läßt, kommt es zu Verwirrungen und Verwechse
lungen.
d) Beachte die zeitlichen Beziehungen
Wie schon oben herausgestellt, können Ereignisse, deren Erfüllung zeitlich weit ausein-
ander liegt, in einer Prophezeiung angesprochen werden. Dies gilt vor allem für die
Prophezeiungen, die sich auf Christus beziehen und so von Ereignissen seines ersten und
zweiten Kommens sprechen, als fänden diese zur gleichen Zeit statt. Entsprechend scheint
es in manchen Prophezeiungen, als fügten sich zweite und dritte Zerstreuung der Juden
nahtlos aneinander. Feinberg bezieht sich auf dieses Prinzip und sagt:
Ferner ist bei der prophetischen Auslegung auf Verkürzungen zu achten, die nach Dr.
Arthur T. Pierson auf verschiedene Weise auftreten können. Zwei oder mehrere sich
ähnelnde Ereignisse werden möglicherweise gemeinsam skizziert... Daneben ist es ein
offensichtliches, übliches und wichtiges Beispiel für Verkürzung, wenn zukünftige Er-
eignisse zusammen geschildert werden, deren Erfüllung weit auseinanderklafft...2
Es muß beachtet werden, daß ein Prophet weit auseinanderliegende Ereignisse als ein
andauerndes Ereignis, oder zukünftige Dinge als vergangen oder gegenwärtig schildern
kann.
e) Lege Prophetie christologisch aus
Das zentrale Thema aller Prophetie ist der Herr Jesus Christus. Es geht um Seine Person
und Sein Werk. Petrus schreibt in 1.Petrus 1,10-11:
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1 Ebd., Seite 38.
2 Ebd.
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In betreff dieser Errettung haben die Propheten nachgesonnen und nachgeforscht, die
von der euch zugedachten Gnade geweissagt haben, indem sie ausfindig zu machen
suchten, welche oder was für eine Zeit es sei, auf welche der in ihnen wirkende Geist
Christi hinwies, wenn er ihnen die für Christus bestimmten Leiden und seine darauf
folgende Verherrlichung im voraus bezeugte. (Menge)
Johannes schreibt:
...Denn der Geist der Weissagung ist das Zeugnis Jesu (Offb.19,10).
Beide Bibelstellen betonen, daß Christus das große Thema der Prophetie ist.
f) Berücksichtige den historischen Hintergrund
Es bedarf wohl kaum einer Erwähnung, daß man den historischen Hintergrund eines
Propheten und seiner Prophezeiung kennen muß, bevor man auslegen kann. Ramm sagt:
...Es ist absolut notwendig, daß man ein Studium der Prophetie zunächst mit einem
Studium der Geschichte beginnt, ganz gleich ob es sich bei einer Prophezeiung um eine
Vorhersage oder um eine Belehrung handelt.1
Der Begriff 'historischer Hintergrund' ist umfassend zu verstehen. Er beinhaltet
"..die volle Bedeutung aller Eigennamen, Ereignisse, geographischer Angaben, aller Hinweise zu
Gewohnheiten, zur Kultur sowie zur Flora und Fauna."2
g) Lege grammatikalisch aus
Wir haben weiter oben bereits hinreichend dargestellt, daß man die grammatischen
Regeln bei der Auslegung von Bibeltexten konsequent und sorgfältig anwenden muß, was
ohne Abstriche auch für die Auslegungen von Prophezeiungen gilt.
h) Berücksichtige bei der Auslegung das Gesetz des doppelten Bezugs
Auch diesen Punkt haben wir bereits weiter oben behandelt. Daher soll es an dieser Stelle
genügen, daran zu erinnern, daß Prophezeiungen oftmals sowohl die nahe als auch die ferne
Zukunft im Blickwinkel haben. Es mag sein, daß sich die auf die nahe Zukunft beziehende
Prophezeiung schon erfüllt hat, während die andere noch ihrer Erfüllung harrt. Möglicher-
weise sind auch beide Prophezeiungen schon erfüllt. Oder aber eine Prophezeiung bezieht
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1 Ramm, a.a.O., Seite 163.
2 Ebd., Seite 164.
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sich auf zwei ähnliche Ereignisse, die beide in der fernen Zukunft liegen. Die Tatsache, daß
Teile einer Prophezeiung erfüllt sind und andere noch nicht, rechtfertigt nicht die Annahme,
da sich der noch nicht erfüllte Teil auf eine bildliche oder nicht-wörtliche Weise erfüllen
wird. Vielmehr verheißt die teilweise schon erfolgte Erfüllung eine völlige, wörtliche
Erfüllung der gesamten Prophezeiung in der Zukunft.
i) Lege konsequent aus
Ein Methodenwechsel auf dem Gebiet der prophetischen Auslegung ist unzulässig. Man
muß sich für eine Methode entscheiden und diese dann konsequent beibehalten. Die richtige
Auslegung hängt entscheidend von dieser Konsequenz ab. In dem Maß, in dem wir bei der
Anwendung der gesunden, hermeneutischen Prinzipien inkonsequent sind, werden wir bei
unseren Schlußfolgerungen und Auslegungen irren. Die Beachtung dieser guten Regeln
prophetischer Auslegung wird uns dagegen zu richtigen Auslegungen der Schrift verhelfen.