Das Gleichnis vom Säemann - Matthäus 13,1-23
Leitvers: Matthäus 13,12
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Matthäus 13,12 Wieviel vorzüglicher ist nun ein Mensch als ein Schaf! Also ist es erlaubt, an den Sabbathen Gutes zu tun.
Nachdem der Herr Jesus Christus zuvor im Hause (wahrscheinlich ist es das des Petrus gewesen, wo er während seines Aufenthaltes in Kapernaum wohnte) geheilt, gelehrt, sich mit den Schriftgelehrten auseinandergesetzt und den Besuch seiner Familie erhalten hatte, ging er „an jenem Tage“ hinaus und setzte sich an den See.
Und wieder heißt es, daß er, um dem Gedränge des Volkes auszuweichen, in ein Schiff des Petrus steigt, Mark. 3,9; Luk. 5,3, sich setzt und die Menge von dort aus lehrt; und zwar sprach er nun in Gleichnissen zu ihr. V 1-3; Mark. 3,20-4,2.
In der bildhaften Rede, die sowohl im Alten als auch im Neuen Testament häufig angewandt wird, werden geistliche Wahrheiten mit Dingen und Begebenheiten aus dem täglichen Leben verglichen.
Es sind zu unterscheiden:
1. das Sprichwort (Spruch), das sich nur durch seine Kürze vom Gleichnis unterscheidet
2. das Gleichnis. Nicht alle Einzelheiten der Schilderung haben einen geistlichen Bezug.
3. die Allegorie. Hier haben alle Einzelheiten des Bildes einen geistlichen Bezug.
Der Unterschied zwischen Gleichnis und Allegorie wird fließend, wenn auch ersteres mehr als einen Vergleichspunkt aufweist.
Ein Beispiel hierfür ist das Gleichnis vom Säemann oder vom vierfachen Ackerfeld.
I. Das Gleichnis V 3-9
1. „Siehe!“
Was er sagen will, ist für seine Hörer von Bedeutung und soll von ihnen beachtet werden.
Gewiß gehörte seine Autorität dazu, um die Aufmerksamkeit einer unruhigen Volksmenge zu fesseln, die in zunehmendem Maße weniger hören als erleben will. Doch er lenkt ihre Augen fort von den Wundertaten, hin auf seine Lehre.
2. Das Bild.
b) den guten Samen, der, ohne Rücksicht auf die Beschaffenheit des Bodens, breit ausgestreut wird,
c) die verschiedenen Bodenqualitäten, die das Schicksal des Samens bestimmen:
b) der steinige Boden: der Same keimt schnell, verdorrt aber ebenso schnell wieder,
c) der dornige Boden: die schnell aufschießenden Dornen ersticken die aufkeimende Saat,
3 „Wer Ohren hat, der höre!“ V 9.
II. Warum Gleichnisse? V. 10-17
1. Die Frage der Jünger, V 10
Hier ist es das erste Mal, daß er auch dem Volk gegenüber diese Redeweise anwendet.
Und da die Jünger erkennen, daß die Hörer, so wie sie selbst, nichts begriffen haben, ist ihre Frage verständlich und gut Sie möchten nicht nur den Sinn seiner Rede verstehen, sondern auch den Grund seines Verhaltens wissen.
2. Die Begründung des Herrn, V11-17
Der Herr zieht einen Trennungsstrich:
a) hier stehen seine Jünger (wobei es sich um den erweiterten Jüngerkreis handelt: Mark. 4,10; Joh. 10,16; 17,20;
ihnen ist es gegeben, die Geheimnisse des Reiches der Himmel zu wissen.
Auch bei ihnen sehen wir im Anfang ein Empfangen und Haben.V. 12; Matth. 25,24-30:
Gott gab ihnen Augen und Ohren, um das Reden und Wirken des Guten Hirten unter ihnen zu verstehen und anzunehmen. Matth. 4,23-25; Mark. 1,32-39; 6,34-44. Aber sein Ruf zur Buße verhallte wirkungslos vor den Ohren der Masse des Volkes. Matth. 4,13-17; 11,20-24. Sie wollten einen König, der ihre Ümstände änderte, aber das Recht, ihre Herzen zu ändern, räumten sie ihm nicht ein. Das ist der Grund, weswegen Gott sein Gnadenangebot an das Volk als Ganzes schrittweise zurückzieht. Das Reden in Gleichnissen ist ein erster Schritt (noch haben sie die Möglichkeit, sich den fragenden Jüngern anzuschließen), von einem letzten Schritt erfahren wir Apg. 28,16-29, und wieder ertönt das gleiche Gerichtswort aus Jes. 6,9-10. (Vgl. das Gesicht Hesekiels, dem gezeigt wird, wie sich die Herrlichkeit des Gottes Israels ebenso schrittweise aus Jerusalem entfernt: Hes. 8-11). Lesen wir hier Röm. 11, um das Handeln unseres Gottes in Güte und Strenge, mit uns nicht minder als mit Israel, zu erkennen.
Auch hier gilt 1. Kor. 10,11-13.
III. Die Deutung des Gleichnisses V. 18-23
1. Die wesentlichen Gegenstände des Bildes bedeuten:
a) der Same: das Wort vom Reich, das Evangelium, Matth. 4,17.23,
b) der Säemann: der Verkündiger des Evangeliums; dies ist zunächst der Herr Jesus Christus selbst, im weiteren Sinn sind es aber auch alle Boten seines Evangeliums,
c) der Ackerboden in seiner unterschiedlichen Beschaffenheit: die Herzen der Menschen, die das Evangelium hören,
d) der Weg: die völlig fehlende Bereitschaft zur Aufnahme des Wortes, blinde Augen, taube Ohren,
e) die Vögel: die vielfältige List und Macht des Teufels,
f) das Steinige: die mangelhafte Bereitschaft, ein hartes und mit sich selbst beschäftigtes Herz,
g) die Sonne: die Hitze der Drangsal und Verfolgung,
h) die Dornen: Sorgen des Lebens, aber ebenso auch der Reichtum und die Begierden,
i) die gute Erde: ein bereites und verlangendes Herz.
2. Die Aussage des Gleichnisses
Beachte den eingangs erwähnten Unterschied zwischen Gleichnis und Allegorie:
Im Gleichnis haben nicht alle Einzel heiten einen geistlichen Bezug, es geht vielmehr darum, eine, bzw. in diesem Fall einige, bestimmte Wahrheiten zu erkennen.
Es wird hier vorausgesetzt, daß der Säemann keinen Fehler gemacht hat (im Orient wird der Boden erst nach dem Säen gepflügt), daß der Same gut war, daß der Acker - im Gegensatz zu den natürlichen Gegebenheiten - für seine Qualität verantwortlich ist.
Der Herr sagt seinen Hörern in diesem Bilde, a) daß er gekommen ist, um allen (zunächst Israel, dann aber auch allen Menschen bis an das Ende der Erde) die Botschaft des Heils zu bringen. Matth. 11,28; 28,19; Joh. 3,16-17; Apg. 1,8; 17,30; Röm. 10,18;
b) daß der Same, das lebendige und bleibende Wort Gottes, gut und unvergänglich ist und hundertfältige Frucht zu bringen vermag.
Matth. 13,24; 1. Petr. 1,23-25;
c) daß es allein von der Bereitschaft des Herzens abhängt, was er, der Herr, durch sein Wort bei dem Einzelnen bewirken kann.
Die Verantwortung liegt bei dem Menschen, bei dem Hörer des Evangeliums. Luk. 13,34;
d) daß di e Mehrzahl der Hörer (hier sind es Dreiviertel), obwohl viele von ihnen einen Anfang machen, das ihnen von Gott gesteckte Ziel nicht erreichen. Luk. 13,23-24;
e) daß aber die Wenigen, die das Wort mit verlangendem Herzen hören, verstehen, bewahren und darin ausharren, umso reichere Frucht bringen. Matth. 7,14; Joh. 4,34-36; 15,2-5.16; Röm. 7,4; Gal. 5,22; Eph. 5,9-11; Phil. 1,9-11; Hebr. 12,11; 13,15; Jak. 3,17-18.
Sie werden die Mühsal ihres Erlösers durch reiche Garben lohnen und seine Tränensaat zu einer Freudenernte machen.
Hebr. 5,7-8; Ps. 126,5-6; Jes. 53,11; 9,3.